Die Angst vor Veränderung

oder „Früher war sogar die Zukunft besser“

Dass Siemens-Mitarbeiter gegen den Sparkurs des Konzerns auch mit öffentlichen Demonstrationen protestieren, ist nichts Neues. Zuletzt gingen im September 2013 die Mitarbeiter der Siemens-Flugzeuglogistik auf die Straße, da sie befürchten, dass die Abspaltung der Firma aus dem Konzernverbund zum Verkauf und zum Verlust ihrer Arbeitsplätze führen wird. Betriebsräte, Gewerkschaften und Mitarbeiter kritisieren bereits seit Jahren die „Portfolio-Politik“ der Unternehmensleitung, die laut einem IG-Metall-Gewerkschafter zwar klinisch sauber klinge, in Wirklichkeit jedoch bedeute, die Mitarbeiter „auf schmutzige Weise zu entsorgen“. Aus der Perspektive vieler Mitarbeiter präsentiert sich Siemens heute in weiten Teilen als „Kahlschlag-Unternehmen“, in dem es für die Beschäftigen trotz akzeptabler Konzerngewinne keine Sicherheiten gibt.

Sehr wahrscheinlich verbirgt sich hinter der Brisanz des Siemens-Beispiels auch ein „außerökonomisches“ Problem: Die Veränderungen der Konzernstrukturen werden im Hintergrund nicht durch ein kluges Change-Management begleitet, das auch den Mitarbeitern Perspektiven bietet. Dass es ohne Change nicht geht, zeigt ein anderes Beispiel. Das kanadische Unternehmen Blackberry (früher Research In Motion) galt noch vor wenigen Jahren als Smartphone-Pionier, steckt heute jedoch so tief in den roten Zahlen, dass eine Zerschlagung des Konzerns nicht ausgeschlossen ist. Zeitweise erschien es, als ob Blackberry die durch den Launch des iPhones ausgelösten Wettbewerbsveränderungen in der Branche schlicht „verschlafen“ hatte, was immer stärker ins Fiasko führte.

Verfehltes Change-Management torpediert selbst exzellente Veränderungskonzepte

Trotzdem bedeuten große Veränderungen in Unternehmen für die Mitarbeiter Stress. Veränderungen ohne Widerstand gibt es praktisch nicht. In ihrem Buch „Change Management“ kommen die Autoren Klaus Doppler und Christoph Lauterberg sogar zu dem Schluss, dass es ein negatives Zeichen ist, wenn Mitarbeiter angesichts von gravierenden Veränderungen gar keine Abwehr zeigen – aus ihrer Sicht ist dies ein Indikator, dass das Team weder an die Umsetzung noch den Erfolg des Wechsels glaubt. Im Rahmen eines positiven Change-Management sind Führungskräfte jedoch in der Pflicht, auf die „verschlüsselten Botschaften“ hinter dem Widerstand gegenüber sinnvollen Veränderungen zu reagieren und auch die Befürchtungen und Ängste ihrer Mitarbeiter ernst zu nehmen.

In der Praxis verurteilt ein verfehltes Change-Management selbst exzellente Veränderungskonzepte, von denen eigentlich alle Unternehmensangehörigen profitieren könnten, zum Scheitern. Die Ursache ist fast immer, dass sie auf falsche Art und Weise in die Organisation hineingetragen wurden. Typische Fehler in dieser Hinsicht sind:

  • Für Veränderungen in Unternehmen gibt es immer rationale Gründe, bei denen es im Kern um die Erhaltung oder Wiederherstellung der Zukunftsfähigkeit der Firma geht. Viele Chefs gehen davon aus, dass der Sinn der Veränderung auch für jeden Mitarbeiter auf der Hand liegt. Sie teilen Entschlüsse mit, erläutern jedoch nicht die damit einhergehenden Prozesse.
  • Oft deutet die Firmenleitung geplante Veränderungen durch „unachtsame Kommunikation“ bereits im Vorfeld an und sorgt damit für Unsicherheiten und Gerüchte.
  • Die mittlere Führungsebene wird nicht rechtzeitig in die Vorbereitung von Change-Prozessen einbezogen, obwohl sie später die Verantwortung für ihre operative Realisierung trägt.
  • Die Firmenleitung missachtet aus einer strategischen Perspektive, dass Individuen mit ihren unterschiedlichen Zielen und Motiven das Unternehmen konstituieren.
  • Sie ist sich nicht bewusst, dass insbesondere in Gruppen die Emotionen gegenüber der Ratio immer stärker sind und sich – einmal losgetreten – nur noch schwer begrenzen lassen.

Die Mitarbeiter reagieren darauf mit Existenzängsten, Resignation und/oder Lagerbildung. Der Flurfunk brodelt. Die Leistungsträger der Firma kündigen oder erwägen eine Kündigung. Andere Mitarbeiter richten sich bis auf weiteres in einer Nische ein. Im schlimmsten Fall kommt es zu immensen Produktivitätsblockaden – im Tagesgeschäft ebenso wie für die eigentlichen Change-Prozesse.

 

Führungstipps:

  • „Emotion geht vor Ratio“ – Mitarbeiter emotional abholen und ihre Motive bedienen
  • Dem einzelnen Mitarbeiter seine persönlichen Perspektiven deutlich machen
  • Informationen schnell, zielgerichtet und in der richtigen Reihenfolge weitergeben
  • Erfolge im laufenden Veränderungsprozess kommunizieren und betonen

Erfolgreiches Change-Management – strategisch geplant und mit exaktem „Drehbuch“

Gutes Change-Management beruht auf dem Grundsatz „Emotion geht vor Ratio!“ – erfahrene Führungskräfte erkennen und bedienen gerade in Veränderungsprozessen die Motive ihrer Mitarbeiter. Sie holen diese bei ihren Emotionen ab und lassen auf diese Weise Beteiligte zu Betroffenen werden. Dabei nutzen sie typische Reaktionsmuster von Gruppen für die Absicherung von Veränderungsprozessen aus, gewinnen und motivieren ihre Teammitglieder systematisch für den Change-Prozess und beherrschen überzeugende Interventionsmethoden gegen Widerstände. Kurz: Das erfolgreiche und nachhaltige Durchsetzen von Veränderungen sollte strategisch geplant sein und einem exakten Drehbuch folgen, in dem emotionale, kommunikative und gruppendynamische Aspekte die zentrale Rolle spielen.

Quellen:

http://www.merkur-online.de/lokales/muenchen/stadt-muenchen/siemens-mitarbeiter-protestieren-wir-lassen-nicht-entsorgen-547444.html
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-05/chefsache-changemanagement