Erfolgreiche Einkäufer: Wissen ist Macht

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oder: Wie tickt die Industrie?

Claus Hipp – inzwischen deutlich über 70 – ist auch in der Rückschau stolz darauf, dass er sich den Forderungen des Handels nicht gebeugt hat und damit sich sowie dem Familienmotto – „Fürchte Gott, tue recht, scheue niemanden“ – treu geblieben ist. Anton Schlecker, auf seine Art ein ebensolches Urgestein wie Hipp, musste nach einiger Zeit begreifen, dass seine Kunden auf die Gläser mit den Herzchen nicht verzichten wollten.

Industrie und Handel – unterschiedliche Philosophien & Visionen?

Die Auseinandersetzung der beiden Familienpatriarchen wirft ein Licht darauf, welche Fehler (Zentral-)Einkäufer gegenüber ihren Partnern machen können und auch machen. Im Kern nehmen sie diese oft nicht als Partner, sondern als von ihnen abhängige Dienstleister war – und übersehen dabei, dass hier nicht vordergründig sie, sondern der Markt sowie die Kunden die Regeln definieren. Viele Einkäufer tendieren dazu, ihre Lieferanten abschätzig und überheblich zu behandeln und verstehen nicht, wie sie als Folge ihrer persönlichen Attitüde unter schlechteren Konditionen leiden. Das Problem im Hintergrund: Sie sind oft völlig auf die Sicht des Handels, das eigene Unternehmen und die eigene Rolle fokussiert und verstehen schlicht nicht, wie ihr Gegenüber respektive die Industrie als Partner ticken.

Dabei geht es nicht nur um möglichst hohe Margen und niedrige Einkaufspreise. Jedes Unternehmen verfolgt eine jeweils eigene Philosophie, Vision und Strategie zur Selbstvermarktung. Wenn der Handelspartner diese nicht erkennt und respektiert, kann dies direkt ins Fiasko führen. Das Extrem-Szenario: Ein Premium-Lieferant, in der Computer-Branche beispielsweise Apple, erfährt die gleiche Behandlung wie ein B- oder C-Hersteller. Der Handel wird sich in einem solchen Fall vermutlich recht direkt mit der „Macht des Herstellers“ befassen müssen.

Verhandlungs- und Marketing-Erfolge durch geteilte Interessen

Eine Win-Win-Situation ergibt sich für beide Seiten immer dann, wenn Einkäufer nicht nur ihre eigenen Ziele und Strukturen, sondern auch die Industrie (idealerweise) zu 100 Prozent verstehen. Das Argument „Schließlich bin ich Kunde – also macht ihr gefälligst, was ich will!“ hat in dieser Geschäftsbeziehung nichts zu suchen. Vielmehr geht es dabei um eine echte Partnerschaft, die auf dem Austausch von Werten aufbaut, die für beide Partner wichtig bis existenzerhaltend sind. Voraussetzung dafür sind eine transparente und gegenseitig akzeptable Definition von Leistung und Gegenleistung als auch ein gemeinsamer Nenner im Hinblick auf die Positionierung und die Perspektiven eines gemeinsam promoteten Produktes im jeweiligen Markt. Als KPI-Indikator hat die Boston Consulting Group dafür in den 1970er-Jahren die sogenannte „Growth-Share-Matrix“ (BCG-Matrix) entwickelt, welche die verschiedenen Potentiale und Aktionen innerhalb des Produktlebenszyklus identifiziert:

  • Cash Cows sorgen in einem langsam wachsenden industriellen Umfeld für einen hohen Marktanteil, sind in einem reifen Markt jedoch relativ stagnierend. In der Praxis folgt daraus: Melken, jedoch so wenig wie möglich in die betreffenden Produkte investieren.
  • Dogs (oder auch „pets“) besetzen in einem identischen Marktumfeld nur einen geringen Marktanteil und verfügen über wenig oder gar kein Potential, sollten also in den Unternehmensperspektiven – oder der geschäftlichen Transaktion – keine Rolle spielen, da sie unproduktiv sind und lediglich Ressourcen binden.
  • Question Marks sind die „Problemkinder“ in Verkauf und Marketing. Als Neuprodukt oder als Relaunch haben sie in einem dynamischen Markt ein hohes Wachstumspotential und können sich hier auch zum „Star“ entwickeln. Analytisch müssen sie exakt begleitet werden. Falls sie den Sprung nach oben nicht bewältigen können, erweisen sie sich nach kürzerer oder längerer Zeit ebenfalls als „Dog“.
  • Stars sind Produkte mit einem hohen und stetig wachsenden Marktanteil in einem dynamischen Markt und dem Potential, die Marktführerschaft oder mindestens eine Spitzenposition zu erreichen. Ihr nächste Station im Produktlebenszyklus ist idealerweise ein Cash-Cow-Status, der sowohl dem Hersteller als auch dem Handel über einen längeren Zeitraum akzeptable Gewinne garantiert.

Das Modell schafft eine objektive Verhandlungs- und Entscheidungsgrundlage, in der sich sowohl Einkäufer/der Handel als auch die Industrie mit ihren Interessen und Erwartungen wiederfinden können. Gleichzeitig kauft vor diesem Hintergrund ein perfekter Einkäufer keinesfalls nur Waren ein, sondern verkauft stattdessen auch die Leistung des eigenen Unternehmens. Dafür sind wiederum Kenntnisse der Prozesse, Hierarchien sowie der Entscheidungsträger im jeweiligen Partnerunternehmen wichtig. Im nächsten Schritt lassen sich auf dieser Basis auch optimale Prozessverläufe sowie die entsprechenden personellen Kontakte auf beiden Seiten definieren.

Verhandlungstipps:

  • „Wissen ist Macht“ – den Partner aus der Industrie in seinen Prozesse, Strukturen sowie seinen personellen Repräsentanten kennenlernen
  • Partnerschaft statt „Kunden-Macht“ des Handels
  • Wertschöpfungsketten der Industrie anhand transparenter KPIs in die Verhandlung einbeziehen
  • Definition der gegenseitigen Leistung sowie das Ausmachen eines gemeinsamen „Verlierers“ bzw. für beide Seiten relevanten Wettbewerbers

Quellen:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-835967.html
http://en.wikipedia.org/wiki/Growth%E2%80%93share_matrix
http://de.wikipedia.org/wiki/BCG-Matrix

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