Gute Führung

Sind Führungseigenschaften angeboren oder doch erlernbar?

Zwar war Bill Clinton einer der umstritteneren Präsidenten der USA, trotzdem gilt er als überzeugender und charismatischer Leader. Viele Menschen meinen, dass erfolgreiches Leadership mit dem persönlichen Charisma, besonders stark ausgeprägter Durchsetzungsfähigkeit und vielleicht auch mit dem „Willen zur Macht“ steht und fällt. Sehr differenziert lesen sich vor diesem Hintergrund Clintons Überlegungen zu guter Führung: Führungsstärke bedeutet in seinen Augen, Menschen für eine gemeinsame Sache zusammenzubringen, die Umsetzung eines Projekts zu planen und dabei zu bleiben, bis das Ziel erreicht ist. Dafür sind unter anderem die Fähigkeit, auf Unvorhergesehenes zu reagieren sowie gute kommunikative Kompetenzen nötig. Nachhaltige Erfolge werden wahrscheinlicher, wenn der Führende die Mitarbeiter einbezieht und Kooperation praktiziert anstatt auf einen autoritären Führungsstil zu setzen. Auch der Mut zum Scheitern sowie Freiheit respektive die Fähigkeit, „vieles loszulassen“ gehören zu den Essentials guter Führung.

Hier kommen wir zu einer möglichen Skala von wesentlichen Führungseigenschaften. Charisma, Durchsetzungsvermögen und Willensstärke werden auch erfolgreichen Managern zugeschrieben, die – so scheint es – mit diesen Persönlichkeitseigenschaften bereits geboren werden. Bill Clinton, der es schließlich wissen muss, spricht dagegen über Fähigkeiten, die erlernbar sind. Die Frage, die dahinter steht, ist letztlich auch: Verfügen Leader über ein großes Ego oder brauchen sie nicht zuletzt soziale Kompetenz?

Zur Führung geboren oder zur Führungskraft gemacht?

Im „Harvard Business Manager“ findet sich dazu eine interessante These. Die britische Wissenschaftlerin Connson Chou Locke findet, dass die Frage falsch gestellt ist. Zwar meinen selbst Experten zum Teil, dass die Fähigkeit zur Führung an herausragende Intelligenz, eine extrovertierte Persönlichkeit und eine Reihe anderer Eigenschaften gebunden ist, was impliziert, dass sich Leader darin von anderen Menschen unterscheiden – Locke mahnt hier jedoch zumindest Vorsicht an: Die wichtigste Unterscheidungslinie findet sich aus ihrer Sicht zwischen „leadership effectiveness“ respektive der persönlichen Performance als Führungskraft und „leadership emergency“, also der Auswahl einer Person für eine zu besetzende Führungsposition.

Aus einer Gruppe gleichrangiger Kandidaten (peer group) werden dafür gewöhnlich diejenigen gewählt, die aufgrund ihrer Persönlichkeitseigenschaften und ihrer Art, mit anderen zu interagieren, den größten Einfluss auf die Gruppe haben. Ihre Performance selbst muss deshalb jedoch nicht notwendigerweise besser sein.

Verschiedene Studien zeigen, dass es kaum verwertbare Ergebnisse im Hinblick auf eine allgemeine Korrelation zwischen einer extrovertierten Persönlichkeitsstruktur und effektiver Führung gibt. Dagegen existieren zahlreiche Belege dafür, dass Extrovertiertheit auf Positionen mit wettbewerbsorientierten sozialen Komponenten – beispielsweise im Vertrieb – ein Plus ist, potentiell jedoch auch negative Seiten nach sich ziehen kann. Gleiches gilt für Intelligenz oder „leadership effectiveness“: Beispielsweise kann Stress die Führungsfähigkeit einer Person in beiden Dimensionen deutlich limitieren. In den Auswahlverfahren für eine Führungsposition kommt oft dazu, dass die Bewerber danach bewertet werden, welche Eigenschaften für effektive Führung sie vermutlich haben – wirken sie intelligent, durchsetzungsfähig, stark? Anders gesagt: Die äußere Erscheinung wird zum entscheidenden Kriterium für Führungsstärke.

Lockes Fazit: Wenn es darum geht, Führung und das entsprechende Verhalten in einer Gruppe auszumachen, reden wir über „angeborene“ Führungseigenschaften. Performance und Effektivität von Führung hängen dagegen von verschiedenen Faktoren ab: Dem Kontext und der Art der Position sowie den Fähigkeiten eines Menschen, Führungsqualitäten zu entwickeln. Solange sich die Auswahl von Führungskräften auf die Vermutung eines „natürlichen“ Talents zu Führung fokussiert, brauchen wir uns über mangelnde „leadership performance“ nicht zu wundern.

Und was ist eigentlich gute Führung?

Auf den ersten Blick scheint die Antwort auf diese Frage einfach: Gute Führung befähigt alle Mitarbeiter eines Teams, ihr Bestes im Hinblick auf die Gruppen- und Unternehmensziele zu geben. Allerdings beantwortet dies lediglich das WAS, entscheidend ist jedoch das WIE. Aus unserer Sicht bedeutet effektive und auch menschlich positive Führung, sich zuallererst bewusst zu machen, was eine Führungskraft ist und welche Kompetenzen von ihr erwartet werden. Echte Leader entwickeln durch die Art und Weise ihrer Führung die persönlichen und fachlichen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. Die Kernfrage dabei ist, WIE der individuelle Mitarbeiter gestellte Aufgaben und Ziele erreichen kann.

Führung in diesem Sinne ist Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit in einem konkreten Kontext – eine Definition, die in den Unternehmen bisher oft keine Rolle spielt. Fachliche Exzellenz ist eine Voraussetzung dafür, entscheidend sind jedoch kommunikative und soziale Kompetenz – als persönliches Entwicklungsziel der Führungskraft und in der Interaktion mit den Mitarbeitern. Die Performance einer Führungskraft muss an den Zielen gemessen werden, die sie erreichen soll.

Praxistipps:

  • Effektive Führung bedeutet, die Mitarbeiter dazu zu befähigen, Ziele zu erreichen und sich dabei persönlich zu entwickeln.
  • Dialektische Gesprächsführung ist das wichtigste Instrument dafür.
  • In der Praxis helfen Ihnen die acht klaren Gesprächstypen von Bosch, ihre Führung wirklich effizient zu machen.

Quellen:
http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/fuehrungskraefte-zum-chef-geboren-oder-dazu-gemacht-a-960071.html
http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/leadership-tipps-von-bill-clinton-wie-man-richtig-fuehrt-a-960399.html