Kienbaum-Studie: Personalarbeit im 21. Jahrhundert

Für die sechste Edition der Studie „HR Strategie und Organisation“ befragte die Unternehmensberatung Kienbaum & Partner seit dem späten Frühjahr 2012 Personalleiter und andere Experten für Human Ressources (HR) von deutschen, österreichischen und Schweizer Unternehmen. Im Zentrum der Erhebung standen Fragen nach den zentralen Kriterien für Arbeitgeberattraktivität, die erfolgskritische Rolle einer proaktiven Talentgewinnung sowie die Rolle der neuen digitalen Medien – Stichwort „Social Media“ – für ein wirksames Employer Branding. Die Studienergebnisse fließen in das Kienbaum HR Strategie- und Organisationsbarometer sowie Detailauswertungen für verschiedene Länder, Branchen und Unternehmensgrößen ein. Hier spielt der Vergleich mit Best-Practise-Unternehmen eine zentrale Rolle. Laut Kienbaum-Partner und Studienleiter Paul Kötter soll die Studie für die teilnehmenden Firmen „eine umfassende empirische Basis“ für eine optimierte Personalarbeit und somit für die „Steigerung des Wertbeitrags“ der HR-Ressorts zum Erfolg der Unternehmen schaffen.

HR – zwischen Administration und Business-Partnerschaft

In ihrem Executive Summary konstatieren die Autoren, dass die Bemühungen um eine zeitgemäße und strategisch definierte Personalarbeit inzwischen in die zweite Dekade gehen und gravierende Veränderungen der Strukturen, Prozesse und Systeme des gesamten Bereichs zur Folge hatten. Die Grundlagen dafür wurden maßgeblich durch den US-amerikanischen Universitätsprofessor, Speaker und Management-Coach Dave Ulrich entwickelt. Sein Drei-Säulen-Modell für effiziente HR-Prozesse mit den Komponenten Competence Center, Shared Service Center und HR Business-Partner sei zumindest in den meisten Unternehmen zur Grundlage der Personalarbeit geworden. Gleichzeitig ist der Anteil administrativer Aufgaben der HR-Abteilungen spürbar hinter der Beteiligung der HR-Abteilungen am direkten Wertschöpfungsprozess der Unternehmen zurückgetreten. Bei manchen Unternehmen sei die administrative HR-Unterstützung für andere Bereiche bereits unter 30 Prozent gesunken, im Schnitt liegt sie aktuell bei 39 Prozent. Zum Teil werden in den Firmen bereits 44 Prozent der eigenen Ressourcen für (wertschöpfende) HR-Kernprozesse eingesetzt. Den Rahmenbedingungen dieser Transformationsprozesse – Globalisierung, Digitalisierung sowie zwei Wirtschaftskrisen – haben sich die Personalabteilungen damit durchaus mit Erfolg gestellt.

Potentiale sehen die Researcher in der Optimierung und Standardisierung von HR-Prozessen inklusive der Definition von KPIs, einer effizienten Talente-Rekrutierung inklusive Management-Buy-In sowie der Selbstwahrnehmung der Personaler. Zwar agieren diese heute in den Unternehmen de facto oft als Business-Partner und auf Augenhöhe mit dem Management, sehen sich jedoch oft immer noch als Dienstleister mit administrativen und „unterstützenden“ Profilen.

Keine Alternative zu moderner Personalarbeit

Halbvolles oder halbleeres Glas? Diese Frage stellen die Kienbaum-Researcher auch in ihrem „Executive Summary“. Die Antwort liegt wie bei vielen anderen Fragen im Auge des Betrachters. Ihr Statement: Eine Alternative zur Professionalisierung und Transformation hin zu moderner Personalarbeit gibt es angesichts der globalen wirtschaftlichen und strukturellen Herausforderungen nicht. Als Key Facts – im Hinblick auf Erfolge und weitere Optimierungsnotwendigkeiten – identifizieren sie die folgenden Bereiche:

  • Zwischen den HR-Excellence-Unternehmen – also der Best-Practise-Gruppe – und dem Gros der anderen Firmen finden sich beträchtliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit.
  • Im Vergleich zu frühere Studien hat sich die strategische Ausrichtung der Personalarbeit verringert. Der Aufwertung der HR-Abteilungen als Business-Partner für das Management steht eine unzureichende Transparenz und Messbarkeit des HR-Wertschöpfungsbeitrags gegenüber. Wesentliche Elemente zur Steuerung der Personalarbeit als Professional Service – beispielsweise ein KPI-basiertes Report-System – müssen in vielen Firmen noch entwickelt werden. Aktuell hat die Bereitschaft vieler Personalabteilungen zu externen Benchmarkings oder Mitarbeiterbefragungen eher abgenommen.
  • Die Etablierung des Drei-Säulen-Modells in den Unternehmen wird bisher nicht durchgängig durch exakte Zielvorgaben in Bezug auf Qualitätssteigerung, Kostenoptimierung und fokussierte Wertschöpfung flankiert. In diesem Sinne ist die Transformation der Personalarbeit noch längst nicht abgeschlossen.

Viele Personaler sehen sich Change-Prozessen in den Firmen sowohl objektiv als auch subjektiv nicht ausreichend gewachsen.

  • Viele Personaler sehen sich Change-Prozessen in den Firmen sowohl objektiv als auch subjektiv nicht ausreichend gewachsen. Als strategische Business-Partner gegenüber der Unternehmensleitung können sie sich jedoch perspektivisch nur über die Entwicklung dieser Kompetenzen nachhaltig positionieren.
  • Kompetenzaufbau und Kompetenzentwicklung bleiben die zentralen Aufgaben moderner Personalarbeit. Dabei geht es sowohl um die Entwicklung von strategischem und unternehmerischem Denken als auch von Durchsetzungs- und Überzeugungskraft – also von Führungsstärke.
  • Unternehmen, die aktives Employer Branding betreiben und einen eigenen Personalmarketing-Bereich dafür besitzen, erzielen wesentlich bessere Ergebnisse in Hinblick auf die erfolgreiche Rekrutierung von Talenten sowie im höheren Management-Bereich. Die Unternehmensleitungen müssen hier jedoch noch wesentlich stärker eingebunden werden.
  • Potentiale gibt es im Bereich des zielgruppenspezifischen Employer Branding inklusive der Nutzung von Social Media als Erfolgsmessungs- und Feedback-Instrument.

Das generelle Kienbaum-Fazit: Exzellente Personalarbeit macht einen Unterschied.
HR ist im Unternehmensalltag vor diesem Hintergrund auch ein zentrales Coaching-Arbeitsfeld – mit strukturellen Konsequenzen.