Wie glückt die Anpassung im Unternehmen?

Anpassung ist ein sehr ambivalenter Begriff, denn er verläuft zwischen den beiden Extremen Konformität und abweichendem Verhalten. Einerseits ist Anpassung an bestehende Bedingungen der Schlüssel zum Überleben in der Evolution, andererseits bringt die Anpassung an neue Wertorientierungen, die vom Bisherigen abweichen, die menschliche Zivilisation überhaupt erst voran.

Diesen grundlegenden Prozess des Widerstreits der Werte vollzieht jeder Mensch über den gesamten Verlauf seines Lebens individuell nach, bildet entsprechende Eigenschaften aus und orientiert sein Handeln auf so wahrgenommene positive oder negative Werte. Der Prozess der Anpassung verläuft stufenlos und einzigartig, aber er wird geprägt durch öffentliche Meinungsbildung und allgemeine Handlungsfelder. Das wichtigste davon ist nach Ansicht der Sozialwissenschaften die Arbeit. Unternehmen werden dadurch automatisch zu Schnittpunkten, in denen die Werte von Einzelnen, Gruppen, organisatorischen und komplexen gesellschaftlichen Strukturen zusammenkommen – und ein eigenes Bewährungsfeld für Anpassung aufmachen.

Konformität und Abweichung

Anpassung vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen Ablehnung und Übernahme sozialer Werte. Insofern stellt die von Darwin entdeckte biologische Anpassung ein Naturgesetz dar, das sich im gesellschaftlichen Verhalten der Menschen fortsetzt – egal, wie es ideologisch bewertet wird. Der Publizist Günter Gaus hat „Anpassung“ sogar in den Rang eines Menschrechtes erhoben – sein Kollege Rolf Schneider dagegen sieht darin eher „eine Form der bequemen Vorteilsnahme„. In der Erfahrungswelt der Menschen ist „Abweichung“ gleichbedeutend mit „Vereinzelung“ – in der prähistorischen Welt das sichere Todesurteil für ein Individuum. Der Mensch ist ein Gruppenwesen geblieben, auch wenn er heute viele Möglichkeiten der individuellen Lebensführung hat – denn wenn er sich „konform zur Gruppe“ verhält, profitiert er von deren gesteigertem Potenzial. Konformität zur herrschenden Ideologie bringt sogar Aufstiegschancen mit sich.

Das antike Vasallen-System ist also längst nicht antiquiert. Die Frage ist nur, wie viel Konformität ein Individuum mit seiner speziellen Orientierung aushalten kann und wie viel Abweichung es für sein inneres Wohlergehen braucht – sprich: auch ausleben kann. Der selbst auferlegte Zwang zur Konformität aus Karrieregründen kann bis zum Burnout führen, wenn die individuellen Grenzen der Fähigkeit zur Anpassung überschritten werden. Meinungskonformität ist der erste Schritt dorthin. Der Begriff beinhaltet bereits eine Selektion der Themen, die in einem Unternehmen angesprochen werden können oder nicht. Das Zurückhalten der eigenen Meinung ist keine Frage der „political correctness“, sondern ein Hemmnis auf dem Weg zur Anpassung.

Anpassung an die Arbeitswelt

Das Geheimnis jedweden Unternehmenserfolges ist die Ausbildung optimaler organisatorischen Strukturen. Die Produktion nach den besten Methoden, die Erarbeitung qualifizierter Leistungen mit fähigen Köpfen, das Produzieren nach den Bedürfnissen des Marktes, effiziente Verteilung und Marketing, ja sogar die ergonomische Ausrichtung der Schnittstelle Maschine-Mensch: all das sind Prozesse der Anpassung, die jedoch ein eigenes System hervorbringen. Den höchsten Grad an Anpassung aber müssen die Menschen vollbringen, die in diesem System arbeiten. Die technische Seite ist dabei das geringste Problem, denn sie regelt sich über das Know-how eines Mitarbeiters und sein Vermögen, es umzusetzen. Die entscheidende Rolle spielen Führungs-, Informations- und Kommunikationsaspekte, nach denen die Arbeit gestaltet wird.

Je näher die Gestaltungskriterien an allgemein akzeptierte Werte heranreichen, desto leichter fällt jedem Mitarbeiter die Anpassung. Klaffen Lücken zwischen der Ausrichtung eines Unternehmens und den Wertorientierungen der Gesellschaft, gibt es zwei Möglichkeiten, diese auszugleichen:

  1. Die Spezifik des Unternehmens (z.B. der Bergbau) lässt eine Angleichung der Bedingungen an übliche Standards nicht zu. Dann muss die Führungs- und Unternehmenskultur für die Arbeitnehmer eine Brücke bauen, unter diesen Bedingungen zu arbeiten (siehe Bergbautraditionen). So wird eine ideelle Einstellungskonformität erreicht, die das System trägt.
  2. Die Unternehmenskultur hat sich auf Grund eigener Wertorientierungen der Führung verselbständigt. Mitarbeiter können unter solchen Bedingungen nur Anpassungskonformität entwickeln – denn Einstellungskonformität würde die komplette Aufgabe des bisherigen Wertesystems bedeuten. Damit sind die Weichen auf Desinteresse an der Arbeit, „Dienst nach Vorschrift“ und negativen Gefühlen bezüglich der eigenen Tätigkeit gestellt. Die Tragfähigkeit des Systems sinkt. Das einzige Mittel, dem entgegen zu wirken, ist die Reformierung der Unternehmenskultur im Sinne allgemein anerkannter Werte – mithin also auch eine Reformierung der Unternehmensführung.

Anpassung – eine Führungsaufgabe

Die Arbeitswelt kennt allerdings nur in seltenen Fällen eine solche strikte Teilung von Einstellungs- und Anpassungskonformität. Weder mit Meinungen oder Normen in einem System vollständig innerlich übereinzustimmen noch inakzeptable Zustände schweigend hinzunehmen prägt das Verhalten von Mitarbeitern in der heutigen Unternehmenskultur. In der Regel ist ein bunter Mix aus Zielvorgaben, Leistungsdruck, Verhaltenscode, Führungseigenarten und Arbeitsbedingungen gegeben, die je nach individueller Veranlagung der Mitarbeiter auf der gesamten Skala von totaler Ablehnung bis begeisterter Zustimmung bewertet werden. Selbst Unternehmen mit flachen Hierarchien sind davor nicht geschützt, denn gerade sie erzeugen einen besonders subtilen Konformitätsdruck. Wenn die Grenzen zwischen Arbeitskodex und persönlichen Bedürfnissen verwischt werden, droht in jedem Falle eine moralische Vereinnahmung, mit der zusätzlicher emotionaler Leistungsdruck ausgeübt werden kann. Das Gegenargument, die Anpassung bliebe so dem Mitarbeiter selbst überlassen, steht im direkten Widerspruch zum Ziel jedweder Unternehmung. Hauptaufgabe jeder Führungskraft ist die optimale Integration jedes Mitarbeiters in die Arbeitsorganisation – und damit ist das Thema „Anpassung“ ein Führungsthema.

Fazit:

  • Die Anpassung im Unternehmen glückt nur mit einer intakten Führungskultur, die darauf zielt, die Gemeinsamkeiten zwischen Gesellschaft, Unternehmen und Mitarbeitern zu vermitteln.
  • Wo Diskrepanzen bestehen, ist es Aufgabe der Unternehmensführung, diese abzubauen.
  • Meinungskonformität und Anpassungskonformität sind deutliche Anzeichen für eine Fehlentwicklung in der Unternehmenskommunikation.

Quellen:
http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/konformismus-im-berufsleben-13277567.html
http://www.asergo.uni-wuppertal.de/index.php?Arbeitspsychologie-I
http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l50/l5020.htm
http://www.bertramkoehler.de/anpassun.htm
http://www.managementvonwerten.de/menschliche-entwicklung.html
http://www.deutschlandradiokultur.de/kein-menschenrecht-auf-opportunismus.1005.de.html?dram:article_id=159460