Emotion vor Ratio: Echte Führungskultur benötigt einen emotionalen Konsens

Yahoo-Chefin Marissa Meyer will sich in ihrem inzwischen nicht mehr ganz so neuen Job offensichtlich als perfekte Saniererin erweisen. Seit ihrem Start als CEO regiert sie den Internet-Konzern mit harter Hand. Die Mitarbeiter werden inzwischen nach Jack Welchs längst veralteter und trotzdem populärer 20-70-10-Regel bewertet. Nach den ‚Quarterly Reviews‘ können sich die 20 Prozent der ‚Stars‘ zwar über Anerkennung, besondere Förderung sowie die Aussicht auf hohe Boni freuen, die Schlusslichter müssen dagegen fürchten, demnächst ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Bestehende Home-Office-Vereinbarungen wurden aufgekündigt – Marissa Meyer erwartet künftig ausnahmslos Präsenz im Office. Die Anwesenheitspflicht soll vor allem mehr Kontrolle sicherstellen.

Kurz gesagt: Yahoo ist nicht nur ökonomisch angeschlagen, sondern durchlebt auch eine Vertrauenskrise, die sich von zwei Seiten aufrollt. Marissa Meyer glaubt offensichtlich, dass sie das Unternehmen nur durch einen explizit autoritären Führungsstil effektiv sanieren kann, die Mitarbeiter werden von ihr dabei als potentielle Störfaktoren wahrgenommen. Von unten regt sich Widerstand dagegen: In Blogs und Foren diskutieren enttäuschte Yahoo-Mitarbeiter die Führungskrise öffentlich. In den letzten eineinhalb Jahren wurde ein Fünftel der Belegschaft abgebaut, von den verbleibenden Mitarbeitern plant inzwischen so mancher eine Eigenkündigung. Ganz unwahrscheinlich ist es nicht, dass Marissa Meyer ihre ehrgeizigen Ziele auch erreicht. Auf der Strecke geblieben ist bei Yahoo jedoch eine Führungskultur, die auf Respekt, Vertrauen und eben auch emotionalen Bindungen der Mitarbeiter an das Unternehmen aufbaut.

Gute Führungskultur ist gelebte Strategie

Emotionen im Business-Alltag sind ein Widerspruch? Lassen Sie uns schauen, was andere Management-Experten dazu sagen. In der ‚Wirtschaftswoche‘ schreibt der Management-Berater Ralf Schwartz über den Unterschied zwischen Strategien und Kultur. In den meisten Unternehmen werden Strategien technokratisch definiert – Schwartz meint, dass sie etwas ist, was einmal jährlich auf Basis umfangreicher Powerpoint-Präsentationen abgehandelt wird. Eine positive Unternehmens- und Führungskultur kann jedoch nur entstehen, wenn sie Tag für Tag gelebt wird – hierfür sind alle Führungskräfte in der Pflicht. Gute Führung müsse sicherstellen, dass die Kultur der Firma sich visionär, intuitiv, strategisch, kreativ und innovativ entfalten kann und jeder einzelne Mitarbeiter – ausdrücklich auch die unteren Hierarchien – in diese Prozesse aktiv eingebunden sind.

Führungskultur in der Definition von Ralf Schwartz ist relevantes und gelebtes strategisches Denken, das nicht auf Business-Rituale beschränkbar ist. Die besten Manager leben dies, ohne es permanent zu diskutieren. Beispiele für gute und schlechte Führungskultur lassen sich rund um den Globus ohne Mühe finden, am eindrucksvollsten ist vermutlich der Gegensatz zwischen Microsoft und Apple. Aus Sicht von Schwartz löst bei Microsoft eine Strategie die andere ab. Apple dagegen sei Kultur „bis in die Fingerspitzen“. Als Mitarbeiter akzeptierte der frühere CEO Steve Jobs nur die besten und kreativsten Köpfe, die er finden konnte. Er erwartete von ihnen, dass sie für Apple, ihre Arbeit und ‚ihre‘ Produkte brennen – und hat eine Kultur geschaffen, in der genau dies möglich war. Der Erfolg von Apple ist nicht zuletzt ein Resultat seines Motivationsvermögens und seines Führungsstils.

Menschlich orientierte Führung stiftet Zusammenhalt und Sinn

Die beiden US-amerikanischen Pflegewissenschaftlerinnen Sigal Barsal und Olivia O´Neill forschen an der University of Pennsylvania zum Zusammenhang von Führungskultur und Emotionen. In einer Langzeitstudie für den medizinischen Bereich und einer zweiten Erhebung für sieben verschiedene Branchen haben sie nachgewiesen, dass eine positive emotionale Kultur einen messbaren Effekt auf Verhalten und Einstellungen der Mitarbeiter hatte. Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz menschlich und emotional gut aufgehoben fühlten, fühlten sich von ihrer Arbeit ausgefüllt, erlebten ihre Berufsarbeit als sinnerfüllt, waren leistungsbereit und ihrem Unternehmen eng verbunden. Wie wichtig eine „freundschaftliche“ Unternehmens- und Führungskultur für Gründer – also auch für kleinere Unternehmen – ist, beschreibt der frühere Profi-Sportler und heutige Management-Trainer Lewis Howes in einem Artikel auf seinem Unternehmerblog. Kulturelle Faktoren können über den kommerziellen Erfolg eines Projektes mitentscheiden.

Entscheidende Komponenten: Wertschätzung, Vertrauen, Emotionen

Eine gute Führungskultur zeichnet sich durch eine wertschätzende Haltung und Einstellung der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern aus. Exemplarisch dafür ist der transformationale Führungsstil, der durch Vertrauen, Wertschätzung und Loyalität geprägt ist. Das Vertrauen ihrer Mitarbeiter erwerben Führungskräfte dann, wenn sie sowohl über fachliche als auch über soziale Kompetenz verfügen. Persönliche Bindungen entstehen dann, wenn sich ein Mitarbeiter aufgrund einer tragfähigen Vertrauensbasis gegenüber seinem Vorgesetzten öffnet und für diesen persönlich – und eben nicht nur für ein abstraktes Unternehmen – tätig ist. Eine solche Kultur entwickelt sich allerdings nicht durch Absichtserklärungen und schöne Worte, sondern als gelebter Alltag. Unternehmen, die ihre postulierte Führungskultur nicht leben, werden die Erfahrung machen, dass ihre Führungskräfte von den Mitarbeitern nicht als professionell und authentisch wahrgenommen werden – und dass sie damitwichtige Produktivitätsfaktoren verschenken.

Praxistipps:

  • Eine positive Unternehmens- und Führungskultur ist relevantes und gelebtes strategisches Denken. Zum nachhaltigen Erfolg von Unternehmen trägt sie als eine entscheidende Komponente bei.
  • Für die Implementierung einer wertschätzenden und vertrauensvollen Führungskultur sind alle Führungskräfte eines Unternehmens in der Pflicht.
  • Positive Führung ist kein Postulat, sondern entfaltet sich im Alltag und bindet jeden einzelnen Mitarbeiter ein.

Quellen:
http://www.wiwo.de/unternehmen/it/plaene-und-fuehrungsstil-yahoo-chefin-mayer-will-grenzen-ueberschreiten/8079692.html
http://www.wiwo.de/erfolg/management/beruehmte-letzte-worte-gute-vorsaetze-sind-schlechte-strategien/9298562.html
http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeitsleben-glueck-kann-man-trainieren/9234810.html
http://blogs.hbr.org/2014/01/employees-who-feel-love-perform-better/
http://www.entrepreneur.com/article/230721