Die Anti-McKinsey-Wende: Unternehmensberatung in der Krise – Teil 2

Disruption als Ausblick für die Zukunft?

Im ersten Teil (hier verfügbar) dieses Beitrags haben wir uns mit der Krise der Unternehmensberatung beschäftigt. Als Ursachen sehen wir – ebenso wie viele Unternehmen sowie die Insider der Branche – die tendenzielle Abkopplung der Beratungsbranche von den Interessen ihrer Auftraggeber, in der Fixierung auf Kennzahlen und Controlling sowie der Abwesenheit von eigenständigen, auf das Unternehmen angepassten Strategien und Visionen.

Dass auch die Branche selbst ihre Performance-Schwächen reflektiert, liegt auf der Hand. In der praktischen Dimension geht der Trend derzeit eindeutig zu Fusionen – mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Gewinner. Zwar geht es den drei großen globalen Strategieberatungen – McKinsey, The Boston Consulting Group, Bain & Company – durch ihre globale Expertise und die entsprechenden Netzwerke auch heute gut, das Mittelfeld zeigt jedoch fast durchweg Schwächen. In einem Artikel für den „Harvard Business Manager“ beschreiben die Autoren Dina Wang, Clayton M. Christensen und Derek van Bever nicht nur, wie McKinsey als der Branchen-Star auf die neuen Herausforderungen reagiert, sondern auch, wie sie die Zukunft der Unternehmensberatung insgesamt bewerten.

McKinsey Solutions – Innovationsmodell des Branchenführers

McKinsey Solutions befindet sich seit 2007 am Markt – aus Sicht der drei Autoren ist es bis heute eines der spannendsten Diversifikationsmodelle in der Beratungsbranche. Es umfasst IT-basierte Analysewerkzeuge, die sich in die Systeme der Auftraggeber integrieren lassen und damit den Rahmen herkömmlicher Beratungsprojekte sprengen. McKinsey entbündelt mit diesem Konzept erstmalig seine Beratungsangebote und bietet seinen Kunden stattdessen maßgeschneiderte, wissensbasierte Produkte an. Ihre Verwendung erfordert erstmals in der Geschichte von McKinsey nicht mehr die Entsendung von Beratern. Das Versprechen an die Kunden lautet: Kürzere Projekte mit klar definiertem Return of Investment. Die Unternehmensberatung selbst bleibt durch die in ihrem Eigentum verbleibenden Analyseinstrumente auch zwischen zwei konventionellen Beratungsprojekten bei ihren Auftraggebern präsent. Konzeptuell denkt das McKinsey-Management allerdings bereits einen weiteren Schritt nach vorn: McKinsey Solution soll die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auch im Fall einer „Disruption der klassischen Beratungsarbeit“ erhalten.

Disruption als Bedrohung für klassische Unternehmensberatung

Die Wissenschaftler der Harvard Business School sind überzeugt, dass dieselben disruptiven Kräfte, die in den vergangenen Jahrzehnten die Basis der traditionellen Industrien – beispielsweise Stahl- und Druckindustrie oder Verlagswesen – zerstört haben, jetzt auch die Consulting-Welt erfassen. Dieser Prozess hat sowohl für die konventionelle Unternehmensberatung als auch für ihre Kunden folgen. Der Wettbewerb in der Beratungsbranche richtet sich – unter anderem durch innovative Newcomer, die als „Disruptoren“ wirken – anders aus. In dem Maße, wie die Qualität der neuen Angebote steigt, geraten die alten Platzhirsche unter Druck. Immanent sind diesem Vorgang selbstverständlich auch veränderte Bedürfnisse in den Unternehmen realer oder potentieller Auftraggeber verbunden. Qualitativ hochwertige Anbieter greifen diese Bedürfnisse auf und entwickeln sie im Rahmen ihrer neuen Beratungskonzepte weiter.

In der Unternehmensberatung steht vor diesem Hintergrund vieles auf dem Prüfstand. Schon heute machen bei den „großen Drei“ der Branche klassische Strategieberatungen nur noch rund 20 Prozent ihres Auftragsvolumens aus – vor 30 Jahren hat sich ihr Anteil noch zwischen 60 und 70 Prozent bewegt. Neue Ansätze in der Branche sind beispielsweise Abrechnungen nach dem Wert einer bestimmten Dienstleistung für den Kunden statt bisher nach Tagen sowie die generelle Diversifikation von Serviceleistungen. Die klassischen Unternehmensberatungen haben sich bisher durch zwei grundlegende Faktoren vor Disruption geschützt gefühlt: Berater sind beweglich und ideell mobil. Zudem ist die Branche durch hohe Intransparenz geprägt. Firmen engagieren eine Unternehmensberatung bisher immer dann, wenn sie mit ihren internen Ressourcen bei einem Problem nicht weiterkommen. Dieses Spezialwissen verblieb in aller Regel bisher auch nach dem Abschluss von Projekten beim Berater. Oft ist aus diesem Grund auch eine Bewertung der Beraterleistung schwierig.

Im aktuellen Business-Umfeld gehen diese Vorteile derzeit allerdings verloren. Viele Klienten der Unternehmensberatungen haben bereits umgedacht. Ein Leser des Artikels bringt die aktuelle Situation mit wenigen Sätzen auf den Punkt: Gefordert ist heute eine ganzheitliche Beratung, bei denen die Realisierung von Prozessen durch konkrete Menschen „mit all ihren Gewohnheiten, Egoismen und Spleens“ im Fokus steht. Eine Lösung, die sich nicht mit dieser „Schwierigkeit“ befasst, wird den Praxistest am Ende nicht bestehen.

Unternehmensentwicklungsberatung, echte Strategiearbeit und Transparenz als Perspektiven

Aus unserer Sicht schafft die Diversifikation – und in ihrer Folge die Disruption – der Beraterbranche zunächst vor allem Konkurrenz und damit auch größere Transparenz. Als sicher gelten darf außerdem, dass die konventionellen Methoden der Beratung, die sich hauptsächlich an quantitativen Kriterien und entsprechenden Veränderungen orientieren, im Wesentlichen ausgereizt sind. Unternehmensentwicklungsberatungen wie die Dr. Thorsten Bosch AG erheben in der Beratungsarbeit selbst den Anspruch, als innovative Disruptoren aufzutreten. Unternehmensentwicklungsberatung in unserem Sinne bedeutet, die internen – und vor allem die menschlichen – Ressourcen von Unternehmen zu erschließen und deren Mitarbeiter systematisch als aktive Träger von (Change-)Prozessen aufzubauen. Das Konzept beinhaltet, je nach ‚Schnittmenge‘, Prozessoptimierung, Change-Management und Strategiearbeit, die nicht auf Zahlen beruht, sondern auf den Handlungen von Menschen. Auf „beratungsinternes“ Herrschaftswissen wird dabei nicht gesetzt, sondern auf Transparenz sowie die Autonomie der Klienten: Die Verantwortung und damit die Regie von Change und Strategie verbleibt grundsätzlich bei den Auftraggebern.

Fazit:

  • Die klassische Unternehmensberatung hat ihren Höhepunkt überschritten und ist von Disruption bedroht. Vor diesem Hintergrund diversifiziert sich perspektivisch die gesamte Branche.
  • Echte Strategieberatung basiert heute nicht mehr auf dem Herrschaftswissen der Berater, sondern darauf, Unternehmen zu befähigen, interne Chance-Prozesse autonom zu steuern.
  • Im Fokus einer darauf ausgerichteten Strategiearbeit stehen nicht abstrakte Change-Prozesse, sondern der Mensch als deren Träger.

Quellen:
http://www.harvardbusinessmanager.de/heft/artikel/die-consulting-branche-ist-in-gefahr-a-928956.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmensberatung-berater-in-der-sinnkrise-12739908.html