Gallup-Studie: Es hapert an der Führung

Einmal pro Jahr stellt das globale Meinungsforschungs- und Beratungs-unternehmen Gallup seinen „Engagement Index“ vor, der in ausgewählten Ländern die Motivation, die Unternehmensbindung und das Engagement von Arbeitnehmern misst. Die kürzlich veröffentlichten Daten für 2013 zeigen, dass die Stimmung der Beschäftigten besser ist als in den vergangenen Jahren – der wirtschaftliche Aufschwung nach der Krise dürfte dazu beigetragen haben. Grund zur Entwarnung gibt es für die Unternehmen trotzdem nicht: Rund 17 Prozent der bundesdeutschen Arbeitnehmer haben sich für die innere Kündigung entschieden, die Ursache dafür sind vor allem Führungsfehler. Schlechte Führung ist nicht zuletzt ein immenser Kostenfaktor, der Schäden in Milliardenhöhe nach sich zieht. In Deutschland gibt es knapp 33 Millionen erwachsene Arbeitnehmer – in absoluten Zahlen bedeutet diese Quote, dass mehr als fünf Millionen Menschen nur das Nötigste tun oder ihren Arbeitgeber sogar sabotieren.

Gallup-Studie: Fast 25 Prozent haben „innerlich gekündigt“

Der Begriff der „inneren Kündigung“ wurde durch den Schweizer Managementwissenschaftler Martin Hilb geprägt. Er bezeichnet diese Reaktion als „Selbstjustiz des Arbeitnehmers“: Wenn sich ein Angestellter ungerecht behandelt fühlt, arbeitet er nur noch so viel, wie ihm in dieser Situation als fair erscheint – stellt also durch Arbeitsverweigerung sein Gerechtigkeitsempfinden wieder her. Laut Gallup ist der Anteil der Mitarbeiter, die innerlich gekündigt haben, zwischen 2002 und 2012 kontinuierlich angestiegen – von 16 Prozent auf zuletzt ein knappes Viertel. Zwar konstatierte ein Gallup-Sprecher jetzt, dass sich in vielen Unternehmen angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel die Erkenntnis durchsetzt, dass Unternehmenskultur und Führungsqualität die entscheidenden Faktoren sind, um Mitarbeiter proaktiv zu binden – trotzdem ist der aktuelle Rückgang nicht wirklich ein Erfolg: 67 Prozent der Deutschen machen an ihren Arbeitsplätzen „Dienst nach Vorschrift“, nur 16 Prozent würden sich freiwillig für die Ziele ihrer Firmen engagieren.

Schlechte Führung führt zu fehlender emotionaler Bindung

Die Problematik verweist auf die weithin fehlende emotionale Bindung von Angestellten an ihre Arbeitgeber. Die Gallup-Studie misst diesen Faktor explizit und versucht, den Gründen auf die Spur zu kommen. Die Demotivation der Arbeitnehmer resultiert vor allem aus falscher Führung: Vorgesetzte machen deutlich, dass sie die Ideen ihrer Mitarbeiter eigentlich für störend halten, Lob und Anerkennung gibt es nicht. Zum Teil mangelt es an ausreichenden Ressourcen, welche die Mitarbeiter brauchen, um ihre Arbeit gut zu machen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass viele Führungspositionen falsch besetzt sind. Die Beförderung ins Management erfolge meist aufgrund fachlicher Expertise oder einer langjährigen Tätigkeit im Unternehmen – aus beiden Faktoren resultiere jedoch nicht zwangsläufig die Fähigkeit zu guter Führung.

Gute Führung muss qualitativ bewertet werden

International sieht es im Übrigen nicht besser aus: Nur 30 Prozent aller US-amerikanischen Angestellten fühlen sich wirklich motiviert. Die Gallup-Researcher Randall Beck und James Harter kommen bei der Auswertung der Studie für die Vereinigten Staaten zu dem Ergebnis, dass 82 Prozent der Manager ihren Führungsaufgaben nicht gewachsen sind. Gleichzeitig hänge eine nachhaltige Motivation – oder eben Demotivation – der Mitarbeiter zu 70 Prozent von ihren Führungsqualitäten ab. Wenn Manager es nicht schaffen, nachvollziehbare, fundierte Entscheidungen zu treffen und zu ihren Teams gute Beziehungen aufzubauen, leide nicht nur die Performance des einzelnen Mitarbeiters, sondern des gesamten Unternehmens. Beck und Harter listen in diesem Kontext auf, worin sie die Qualitäten „großartiger Manager“ sehen:

  • Gute Führungskräfte motivieren jeden einzelnen Mitarbeiter durch eine überzeugende Mission und eine entsprechende Vision.
  • Sie verfügen über Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit, Widerstände zu überwinden.
  • Sie sorgen für eine Kultur, die von klaren Verantwortlichkeiten geprägt ist.
  • Sie formen Beziehungen, die von Vertrauen, Transparenz und einem offenen Dialog getragen werden.
  • Ihre Entscheidungen basieren nicht auf Politik, sondern auf Produktivität.

Die Konsequenz der Unternehmen aus der Gallup-Studie müsste eigentlich lauten: Manager werden nur diejenigen, die solche – auch emotional fundierte – Führungsqualitäten besitzen oder willens und fähig sind, sich die entsprechenden Fähigkeiten anzueignen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Weder bei der Auswahl, der Entwicklung oder der Bewertung von Führungskräften spielen solche Qualitäten eine exponierte Rolle. Daraus folgt, dass es für gute Führung auch keine ausreichende Belohnung gibt.

Das bisher omnipräsente „Management by Objectives“ bedeutet, dass sich die Bewertung von Führungsarbeit primär an quantitativen Faktoren, beispielsweise Umsatzzahlen, orientiert. Solange die Zahlen stimmen, wird von den Unternehmen auch schlechte Führung toleriert.

Fazit:

  • Bei der Entwicklung von Führungskräften ist ein Paradigmenwechsel überfällig: Es geht nicht darum, eine Führungskraft „zu machen“ – also vorhandene Mitarbeiter mit fachlicher Expertise, jedoch ohne Führungsqualitäten, auf eine Management-Position hin zu entwickeln – sondern darum, Talente mit echter Befähigung zu guter Führung zu finden.
  • Gute Führung erzeugt Motivation sowie eine emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen und führt so zu besserer Performance – des Einzelnen und der Organisation als Ganzem.
  • Führung muss unter diesem Aspekt – also qualitativ – und nicht anhand rein quantitativer Kriterien bewertet werden.

Quellen:
http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/gute-fuehrungskraefte-sind-selten-a-959336.html
http://blogs.hbr.org/2014/03/why-good-managers-are-so-rare/
http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/arbeitnehmer-haben-kaum-noch-angst-davor-ihre-stelle-zu-verlieren-12874072.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/gallup-studie-17-prozent-der-arbeitnehmer-haben-innerlich-gekuendigt-a-961667.html