Mobbing resultiert aus Führungsfehlern

Mobbing ist ein Phänomen, das aus Sicht von Sozialwissenschaftlern und Psychologen zunimmt. Fast erscheint es als ein Tribut an immer härtere Zeiten in der Arbeitswelt. Im deutschen Arbeitsreicht ist Mobbing nach wie vor in einer Grauzone angesiedelt. Viele Opfer klagen nicht und machen ihre Probleme mit Kollegen oder Chef mit sich selber aus. Hinzu kommt, dass es in Deutschland bisher kein Gesetz gibt, das explizit auf Mobbing abstellt. Die psychologische Diagnose „Mobbing-Syndrom“ lässt sich vor Gericht nur sehr eingeschränkt verwerten, da es nur selten gelingt, eine echte Kausalität zu den Handlungen anderer herzustellen. Der Sachverhalt Mobbing wird fast ausschließlich an den körperlichen und seelischen Reaktionen der Opfer festgemacht – die Täter spielen dagegen nur eine sekundäre Rolle. Dementsprechend gering ist das juristische Resultat von entsprechenden Verfahren: Von insgesamt etwa 1.300 Mobbing-Klagen waren nur etwa fünf Prozent erfolgreich.

Aus unserer Sicht steht Mobbing in einer direkten Relation mit der Kultur eines Unternehmens – unter anderem mit Intransparenz, tolerierten Ungerechtigkeiten und damit auch mit gravierenden Führungsfehlern. Ebenso liegt auf der Hand, dass eine juristische Ahndung schwierig ist – die Gegebenheiten, die zu Mobbing führen sind ebenso wie seine Erscheinungsformen faktenbasiert oft nur schwer zu greifen.

Mobbing – systematisch, langfristig und komplex

Im Kern bedeutet Mobbing, dass durch das Verhalten von Kollegen oder Vorgesetzten eine Situation entsteht, welche die Würde des betroffenen Mitarbeiters permanent verletzt. Dem liegt in der Regel eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz zu Grunde. Die von einem oder mehreren Kollegen/Vorgesetzten angegriffene Person ist unterlegen bzw. soll in eine unterlegene Rolle gebracht werden. Das Ziel des Psychoterrors, der über einen längeren Zeitraum sowie häufig und systematisch erfolgen muss, um den Tatbestand des Mobbings zu erfüllen, besteht in der Regel darin, den Betroffenen aus dem Arbeitsverhältnis zu entfernen.

Mobbing entfaltet sich auf unterschiedliche Weise. Physische Attacken als die direkteste und primitivste Form dürften, da arbeitsrechtlich relevant, eher selten sein. Heinz Leymann, der Pionier der deutschen Mobbing-Forschung, führt jedoch insgesamt 45 relevante Mobbinghandlungen an, die von Kompetenzentzug über soziale Isolierung bis zu verbaler Gewalt oder Angriffen auf die persönliche Integrität des Opfers reichen. Dabei geht es nicht um eine oder mehrere isolierte Handlungen, sondern um ein Verhaltensmuster. Die Abgrenzung zu ’normalen‘ Konflikten am Arbeitsplatz ist aus diesem Grund oft schwer und muss anhand des Einzelfalls erfolgen. Zur Dokumentation empfehlen Arbeitsrechtler den Betroffenen ein möglichst exaktes Mobbing-Tagebuch, in dem alle subtilen und weniger subtilen mutmaßlichen Angriffe verzeichnet werden.

Bis zu einer Million Deutsche betrachten sich als Mobbing-Opfer

Laut verschiedener Erhebungen betrachten sich in Deutschland bis zu einer Million Menschen als Mobbing-Opfer, in der kleineren Schweiz sind es immerhin noch um die 100.000. In 40 Prozent der deutschen Fälle geht das Mobbing von den direkten Vorgesetzten aus, bei weiteren zehn Prozent verbünden sich dafür Chef und Mitarbeiter. Die Folgen der systematischen psychischen Gewalt können existenzzerstörend sein. Vielen Opfern bleibt am Ende nur die Kündigung, einem nicht unbeträchtlichen Teil von ihnen fällt es danach schwer, im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Nicht selten werden die psychischen und psychosomatischen Folgen von Mobbing zur Ursache für eine Frühverrentung.

Über die Ursachen von Mobbing gibt es verschiedene Hypothesen. Neben persönlichkeitszentrierten Annahmen über Mobber und Gemobbte vertreten die meisten Forscher heute dazu die Position, dass Mobbing in erster Linie strukturelle Gründe hat und vor allem in Rezessionszeiten zur ‚Waffe‘ respektive sozialen Sanktion im Kampf um innerbetriebliche Ressourcen – beispielsweise Arbeitsplatzsicherheit oder Aufstiegschancen – wird. Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf eine produktive, menschlich positive Organisationskultur ist Mobbing alles andere als ein Kavaliersdelikt. Aus juristischer Sicht greift hier möglicherweise die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – falls ein Beschäftigter sich mit einer Mobbing-Klage durchsetzt, können daraus recht komplexe Schadenersatzforderungen gegen das Unternehmen resultieren.

Mobbing untergräbt das Vertrauen aller Mitarbeiter

Einmal abgesehen von juristischen Konsequenzen gilt jedoch: Jeder Fall in einem Unternehmen untergräbt das Vertrauen aller Mitarbeiter. Auf lange Sicht und natürlich vor allem, wenn das Unternehmen nicht konsequent dagegen vorgeht, lähmt Mobbing die Effizienz und Produktivität aller Mitarbeiter. Gleichzeitig etabliert sich durch toleriertes Mobbing eine Zwei-Klassengesellschaft im Unternehmen: Mobbing-Opfer werden ausgegrenzt, unbeteiligte Mitarbeiter schauen zu – sicher auch aus Angst, dass sie andernfalls die nächsten sind, die unter Mobbing leiden könnten. Eine kreative, offene Atmosphäre und die Stärken aller Mitarbeiter können sich unter solchen Bedingungen nicht entfalten.

Praxistipps:

  • Mobbing ist kein Kavaliersdelikt! Für eine wirksame Anti-Mobbing-Prävention sind alle Führungskräfte einer Firma in der Pflicht.
  • Prävention bedeutet hier: Zero Tolerance gegenüber Mobbing, Festlegen der Rahmenbedingungen für die Kommunikation im Team, nachhaltiger Vertrauensaufbau.
  • Bei Verdacht auf Mobbing ist schnelle Intervention gefragt. Führungskräfte müssen in der Lage sein, die Symptome zu erkennen, konsequent darauf zu reagieren und Mobbern ihre Grenzen aufzuzeigen.
  • Um Symptome wiederum erkennen zu können, muss die Führungskraft an ihren Mitarbeitern ‚dran sein‘. Das ist die grundlegenste Voraussetzung überhaupt. Wer keinen Kontakt hat und keine Kommunikation pflegt, ist ohnehin zum reagieren und reparieren verurteilt.
  • Für die Unternehmensleitung müssen Mobbing-Vorkommen hingegen Warnsignal sein, dass im Bereich der nachgeordneten Führungsebenen etwas im Argen liegt.

Quellen:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/mobbing-am-arbeitsplatz-koennen-gesetze-die-opfer-schuetzen-a-962565.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Mobbing
http://www.hrweb.at/2014/04/mobbing-definition-arbeitsrecht/