Loyalität: Nur mit Worten ist es nicht getan

Goldmann-Sachs-Chef Lloyd Blankfein konnte sich trotz der schwachen Geschäftsentwicklung der US-amerikanischen Investmentbank auch im vergangenen Jahr über üppige Bezüge freuen – nach aktuellen Meldungen flossen 2013 rund 23 Millionen US-Dollar an Gehalt und Boni auf seine Konten. Im Kontext einer früheren Meldung dürfte sich die „ethische Lernfähigkeit“ des Spitzen-Bankers allerdings in Grenzen halten: 2009 hatte Blankfein in einem Interview verlauten lassen, dass die Banken „Gottes Werk“ verrichten.

An diesen Ausspruch hat sich jetzt offenbar auch die niederländische Bankenaufsicht erinnert: Bank-Aufsichtsräten ist in den Niederlanden seit dem Jahreswechsel eine Eidesformel gesetzlich vorgeschrieben. Vor dem Amtsantritt müssen sie – „so wahr ihnen Gott helfe“ – schwören, alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun, um das Vertrauen in die Finanzbranche zu stärken. Die Loyalität der Banker wird auf diese Weise zur Angelegenheit des Staates.

Folge der Finanzkrise – Misstrauen in die Loyalität der Banker

In Europa ist dieser Eid ein Novum – die niederländische Regierung will damit für eine Branche ein Zeichen setzen, deren verwaltete Anlagevermögen viermal so groß sind wie die wirtschaftliche Leistungskraft des Landes. Ab September 2014 soll diese Bekundung der persönlichen Loyalität gegenüber der Gesellschaft und den Kunden ihrer Häuser nach den Aufsichtsräten auch für die rund 90.000 Bankangestellten der Niederlande verpflichtend werden. Für Atheisten wird eine nicht religiöse Eidesformel gelten. Der Chef der dortigen Bankenvereinigung, Chris Buijink, ließ wissen, dass niederländische Banker für die Verletzung ethischer Regeln künftig mit Strafen rechnen müssten. Ein entsprechendes Regelwerk sei in Vorbereitung, die dort festgelegten Sanktionen werden ab 2015 gelten.

Die niederländischen Banken stehen mit ihren Problemen nicht allein. Rund um den Globus versucht die Branche, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie in der Lage ist, unethisches Verhalten auszuschalten. Der Imageschaden durch die Finanzkrise sitzt bei den Bürgern tief, die Zeche für die diversen Rettungsschirme wurde den Steuerzahlern aufgebürdet. Bert Brugink, Finanzvorstand der Rabobank, hat den jetzt obligatorischen Eid zusammen mit der Verwaltungsratschefin des Hauses bereits Ende letzten Jahres abgelegt – nachdem die Bank wegen ihrer Verwicklung in einen globalen Zinsskandal 774 Millionen Euro Strafe zahlen musste. Nun meint er, die amtliche Verpflichtung dazu passe in eine Zeit, in der sich die Banken anstrengen müssen, um Vertrauen wiederzugewinnen.

Der Banker-Eid: Rationales Konstrukt ohne emotionale Verpflichtung

Ob der Eid der Banker diesen Zweck erfüllt, sei einmal dahingestellt. Vergleichen wir ihn doch einmal mit anderen Eiden: Jeder Soldat legt am Anfang seiner Dienstzeit ein Gelöbnis ab, in dem er sich dazu verpflichtet, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen und der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen. Die Gelöbniszeremonie ist für die Soldaten in der Regel ein sehr emotionaler Akt, der unter anderem ein echtes Verpflichtungsgefühl und echte Loyalität begründet. Auch im Alltag – im Umgang mit Kameraden und Vorgesetzen – entsteht danach fast immer eine enge Bindung. Wer dagegen im Hinblick auf den niederländischen Banker-Eid nach Emotionen sucht, wird wohl kaum fündig werden. Die neue Vorschrift wirkt eher wie eine Pro-Forma-Handlung, die auf einem Katalog von Verboten und ausschließlich rationalen Sanktionen aufbaut und damit vor allem wie eine ergänzende Form des Strafrechts.

Solange sich niemand findet, der den „Spirit“ der Eidesformel weiterträgt und vorlebt, wird daraus kein Verpflichtungsgefühl entstehen. Die Verpflichtung dringt gar nicht in das Bewusstsein der Akteure vor, nur die wenigsten von ihnen werden daraufhin ihr Handeln ernsthaft prüfen. Um dies zu erreichen, bräuchte es Führungskräfte, die für die Umsetzung des Eides in der Praxis stehen, seine Umsetzung einfordern, durchsetzen, seinen Sinn glaubhaft vermitteln und dafür nicht nur eine rationale, sondern auch eine emotionale Basis schaffen. Loyalität gegenüber einer abstrakten Formel ist viel schwerer aufzubauen als gegenüber Menschen, die für ihren Inhalt und für ihre Werte stehen.

Praxistipps:

  • Loyalität ist keine abstrakte Größe. Verbale Absichtserklärungen bleiben in dieser Hinsicht folgenlos.
  • Echte Loyalität entsteht dann, wenn Führungskräfte diesen Anspruch durch ihr persönliches Beispiel lebendig werden lassen, dafür einstehen und die Glaubwürdigkeit ihres Handelns sowie der formulierten Ziele auch durch emotionale Komponenten unterlegen.

Quellen:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/finanzaufsicht-holland-laesst-banker-einen-eid-schwoeren/9441292.html
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/koepfe/lloyd-blankfein-goldman-chef-verdient-23-millionen-dollar/9413642.html