Motivation bis zur Tiefenentladung
oder: Die Mär von der Motivation
1. „Kann ich nicht“ wohnt meistens in der „Will ich nicht“-Straße. – Steffen Kirchner (Mentalcoach)
2. „Können wir das schaffen? Jo, wir schaffen das!“ – Bob, der Baumeister
3. „Wenn mir ein Verlierer sagt, dass etwas nicht geht, dann heißt das nur, dass es für ihn nicht geht. Für mich ist alles möglich. Der Gewinner ist immer Teil einer Lösung. Der Verlierer ist immer Teil eines Problems.“ – Mehmet Göker (Gründer MEG)
4. „Qualität kommt von Qual!“ – Felix Magath (Fußball-Trainer)
5. „Wenn Ihr das nächste Mal zweifelt, dann stellt euch die Frage: Was macht mich glücklich?“ – Steve Kroeger (Bergsteiger und Motivationstrainer)
6. „Ihr müsst Euch das als Ziel setzen, was Euer Ziel ist!“ – Dr. Christian Weilmeier (Motivationstrainer)
Und? Welche dieser launigen Ermunterungsversuche mussten Sie schon über sich ergehen lassen….?
Mal kurz geprüft:
Zitat 1 und 2 aus der Kategorie „Du schaffst alles, wenn Du Dich nur genug anstrengst.“
Der Klassiker, der Motivation: Tschakaa! Natürlich sollte man in seine Aufgaben schon ein Maß an Anstrengung stecken. Wenn man aber stets „Gib alles!“ sagt, dann kommuniziert man eben auch, dass der Mitarbeiter bis jetzt noch nicht alles gibt. Ist das das wahre Problem? Wohnt nicht vielmehr das „Will ich nicht“ in der „Kann ich nicht“-Straße?
Zitat 3 und 4 aus der Kategorie „Die Leute sind faul und ohne Eigenantrieb…“
Klingt wie Erpressung? Ist es auch! Das ist eigentlich schon keine Motivation mehr! Hier geht es eher darum, ‚Schuldgefühle’ herbeizuführen, die dann als Legitimation dienen, die Leute zu piesacken („…ihr seid ja faul…“) oder zur Selbstausbeutung zu treiben.
Zitat 5 und 6 aus der Kategorie „Selbstverwirklichung und tue, wonach Dir ist…“
Ja, es gibt Menschen, die einen sehr ausgeprägten Selbstverwirklichungsdrang haben und daraus ihre Motivation ziehen. Die Mehrheit der Menschen allerdings hat gar kein so großes Bedürfnis, sich ständig selbst Ziele suchen zu müssen. Bei diesen dominiert das Bedürfnis, ihnen Sicherheit zu geben. Ganz abgesehen davon ist unsere Welt leider nicht so gestrickt, dass wir immer tun könnten, wonach uns ist.
Die Wirkung der ‚Motivierer’
Man möchte gar nicht wissen, wie viele Wälder bereits abgeholzt wurden, um Ratgeber zu drucken, in denen dann wohlfeile Weisheiten wie „Fördern Sie den Teamgeist“, „Seien Sie transparent“, „Seien Sie empathisch“ stehen. Überhaupt zeichnen sich extrem viele ‚Ratgeber’ dadurch aus, dass Sie sehr unbestimmt bleiben. Insofern klingt das alles furchtbar nett, ist aber schrecklich unnütz. Für die intellektuellen wie finanziellen Sparfüchse wurden dann noch Internetseiten wie www.365motivation.de erfunden – ein Eldorado für jeden Sammler von Plattitüden und Küchenphilosophie.
Gleichwohl, die Gilde der Motivationsbücher-Autoren und Motivationsgurus hat es geschafft, dem Thema das Odium der Esoterik zu nehmen und es salonfähig zu machen. Auch den Führungskräften wurde und wird fortan erzählt, sie sollten Motivationsgespräche führen, damit die Mitarbeiter mehr ‚Wollen’ wollen. Diese Denkweise hat sich festgesetzt, auch in ‚Otto-Normal-Unternehmen’. Dementsprechend erleben wir tagtäglich die verzweifelten Versuche, mit diversen Motivationsgesprächen die Handlungsbereitschaft zu stärken.
Die Crux: Manchmal erzielt man auch eine Wirkung im Sinne von ‚mehr Aktion’! Doch die Ursache ist NICHT die Steigerung der Motivation, obwohl es die meisten darauf zurückführen.
- Im besten Fall erzielen Sie eine Wirkung, weil Sie durch Führungsgespräche und kontinuierliche Coachings entsprechend ‚vorgearbeitet’ haben. In diesem Fall haben Sie die Mitarbeiter dann aber weniger motiviert als vielmehr gecoacht, deren Blick für die wesentlichen Aufgaben nochmals geschärft etc. In der Realität ist das die leider seltene Ausnahme.
- Wenn Sie Glück haben, treffen Sie auch mal – eher zufällig – das Bedürfnis eines Menschen. Das kann z.B. das Bedürfnis nach ‚Stolz’ und ‚Zusammengehörigkeit’ sein. Indirekt steigern Sie dann für kurze Zeit tatsächlich die Motivation, weil sie eben ein existentes Bedürfnis ansprechen. Umso tiefer ist der Fall, wenn sich das als ‚Luftnummer’ rausstellt…
- Was sehr viel häufiger als angenommen passiert, ist, dass das, was Sie als Motivationsgespräch planen, beim Mitarbeiter als eine Form der subtilen Erpressung ankommt. Wenn die Erpressung ‚funktioniert’, dann erzielen Sie freilich einen vorläufig höheren Aktionismus.
Folgen des Motivierens
In vielen Unternehmen läuft es dann so: wurde der Scheinzusammenhang zwischen Motivationsgespräch und Aktionismus erkannt, gehen man dazu über, den Mechanismus so lange zu strapazieren, wie es nur geht.
Die Folgen….
- Motivieren ist wie zu viel Antibiotika – die ‚Erreger’ werden immun!
Dummerweise durchschauen die Mitarbeiter die Motivationsgespräche irgendwann. Sie realisieren, dass es im Motivationsgespräch nicht um sie persönlich geht, sondern den Zweck, mehr zu tun. So erreichen Sie das Gegenteil. Manch Führungskraft reagiert darauf mit immer dichter getakteten Motivationsgesprächen. Doch der Mitarbeiter stumpft gegenüber den Appellen ab und reduziert sein Tun auf das erforderliche Mindestmaß – Stichwort: ‚innere Kündigung’. Und wie wenig Vertrauen die Mitarbeiter in Deutschland haben, zeigen uns ja beispielweise die Gallup-Studien. - 1 beobachtet 100 vs. 100 beobachten 1 – wer sieht mehr?
Spätestens seit Stromberg und seinen Praxistipps sollte es jeder wissen: es gibt keine Vertraulichkeit. Die Mitarbeiter reden über jedes Gespräch mit ihrem Chef untereinander! Wenn Sie zuvor JEDEM erzählten, er/sie sei das beste Pferd im Stall… dumme Sache. Und die traurige Realität ist leider auch oftmals, dass Kollegen die Persönlichkeit und Leistungsfähigkeit untereinander viel besser einzuschätzen wissen als deren Führungskräfte – wenn dann Einschätzungen publik werden, die stark von der Auffassung im Kollegenkreis abweichen… auch eine dumme Sache. - 251.000.000 Treffer in 0,17 Sekunden bei Google zum Begriff Motivation
Das Thema Motivation kennt jeder. Es ist extrem transparent. Viele kennen die Methoden und Sprüche schon… was wollen Sie denen erzählen, was die nicht schon gehört haben? Das ist ausgelutscht, der zu Motivierende ist genervt. - „Wer zu viel motiviert, ist fachlich inkompetent!“
Dieser Satz kann stimmen, muss es aber nicht. Darauf kommt es aber gar nicht an! Das ist nämlich die häufige Schlussfolgerung der ‚Betroffenen’, die die Motivationsneurose für eine Art Kompensationshandlung halten, um mangelnde Kompetenz auszugleichen. Der bekannteste Fall ist das Scheitern von Jürgen Klinsmann als Trainer von Bayern München. Keiner weiß bis heute, ob ‚Klinsi’ nun fachlich kompetent war. Er wurde auf seine Fähigkeiten als ‚Motivationskünstler’ reduziert bzw. hat sich selbst dahingehend reduziert. - Motiviert, bis es einen aushebelt
Das sogenannte Motivationsgespräch beinhaltet oft die sublime Unterstellung, es fehle oder man verlöre am Willen, ein Ziel zu erreichen. Die einen wollen sich diese Unterstellung nicht mehr gefallen lassen und gehen in die ‚innere Kündigung’ (siehe Nr. 1). Die anderen wollen dem Anspruch gerecht werden, schaffen es aber nicht (mehr) – entweder mangels Fähigkeiten (Können) oder weil sie so viele Aufgaben aufgehalst bekommen, dass es Sie aushebelt (siehe Bild). Darunter sind Aufgaben, die die Kollegen von Hausnummer 1 (‚innere Kündigung’) ihnen übrig lassen, während sie damit vom Chef wiederum alleine gelassen werden.
Tja, und irgendwann geben Geist und/oder Körper auf. Die gewaltigen Steigerungsraten bei Burnout-Diagnosen sind ja inzwischen hinlänglich bekannt
Die Lehren
Eine wissenschaftlich-seriöse Beschäftigung mit dem Thema Motivation zeigt, dass
- Rahmenbedingungen bei der Arbeit erfüllt werden müssen, so dass ein Mitarbeiter aus sich selbst heraus motiviert ist.
- Mitarbeiter und Team müssen, um motiviert sein zu können, schon das Gefühl haben, die Erfolge und die Ergebnisse potentiell überhaupt erreichen zu können.
Daraus folgt:
Sie (als Führungskraft) müssen die Mitarbeiter von Anfang an hinsichtlich Ihrer Fähigkeiten entwickeln. Die Verantwortung, die Mitarbeiter zu befähigen, liegt grundsätzlich bei der Führungskraft. Dazu bedarf es auch eines Vertrauensverhältnisses zwischen Führungskraft und Mitarbeiter.
Sie haben fast ausschließlich über Führungsgespräche die Chance, Ihre Mitarbeiter in irgendeiner Form zu erreichen. Um die Chance zu nutzen, müssen Sie sich aber dem Ziel des jeweiligen Gesprächs bewusst sein.
Es gibt aber kein Gespräch, das die unmittelbare Steigerung der Motivation als Ziel hat.
Motivation ist das Resultat aus vielen zu erfüllenden Rahmenbedingungen und ergo sehr vielen Gesprächen im Vorfeld.
Handlungsempfehlungen, die nachhaltige Motivation bringen oder Demotivation vermeiden
- Kennen Sie Ihre Mitarbeiter so gut, dass Sie wissen, was diese ‚lieben’ bzw. ‚hassen’.
- Seien Sie zur Stelle! Niemand hat ein Problem mit (großen) Herausforderungen – außer wenn er Hilfe braucht und keiner für ihn da ist.
- Sparen Sie sich die ‚Sie sind mein bestes Pferd im Stall’-Floskeln! Tauschen Sie diese ein gegen präzises, verständliches Feedback zu konkreten und relevanten Situationen ein.
- Führen Sie ein offenes Wort: Wenn ihr Mitarbeiter nach Herausforderungen sucht, verschaffen Sie ihm welche! Wenn er keine will (es gibt auch Menschen, die nach Sicherheit und Routine suchen), dann lassen Sie Ihn in Ruhe mit Ihrer Vorstellung von seinem Leben.
- Erwischen Sie Ihre Leute bei guten Taten, sagen Sie, was Sie beeindruckt oder wo der Mitarbeiter Ihre Erwartung übertroffen hat.
- Missbrauchen Sie Team-Building-Events nicht für Motivationszwecke. Erwarten Sie für das Sommerfest keine Extraschicht! Wenn Sie mehr Leistung oder eine andere Leistung wollen, dann ist es Ihre Aufgabe zu coachen. (vgl. Leitartikel „Führung – der vergessene Teil der Wertschöpfungskette“)
- Verzichten Sie auf ‚väterliche Sprüche’ und Erniedrigungen à la „Bei Ihrem Elternhaus hätte ich das schon erwartet…“. Erwarten Sie nur, was Sie auch vermittelt haben.
- Sparen Sie sich Ihr Geld! Das heißt nicht, Sie sollen knauserig sein! Allerdings gewöhnen sich Menschen sehr schnell an extrinsische Anreize wie Geld, so dass die Zuwendungen mit der Zeit höher werden müssen (vgl. Leitartikel „Geld oder Führung“). Investieren Sie lieber in Vertrauen und Fähigkeiten.
Also: gehen Sie nicht den ganzen dubiosen Motivations-Messiassen auf den Leim. Struktur sollte viel eher die Aufbauarbeit mit den Mitarbeitern haben.
Nicht selten ist zu hören, man solle durch Lob motivieren. Ein Lob spricht man für außergewöhnliche Leistungen aus, das heißt, wenn der Mitarbeiter schon motiviert ist. Durch ein Lob können Sie indirekt dazu beitragen, dass ein Mitarbeiter seine Maß an Motivation aufrecht erhält oder sogar noch etwas steigert. Wenn sie aber auf der anderen Seite den (unter-)durchschnittlichen Mitarbeiter loben, dann stellt sich eine Lernblockade ein – ihm wird ja suggeriert, seine Leistung sei in Ordnung. Ergo wird er wenig Ansporn haben, diese zu verbessern.
Das Statement dieses netten Herrn sollte man daher mit allergrößter Vorsicht genießen:
Erstens ist es fahrlässig, sich nur einmal im Jahr intensiv mit dem Mitarbeiter auseinanderzusetzen (und womöglich sogar nur auf fachlicher Ebene). Zweitens verpufft ein Großteil der Wirkung – man kann, wie oben erwähnt, nicht unmittelbar motivieren. Drittens bringen Sie den Mitarbeiter, wie ebenfalls schon angedeutet, auf eine völlig falsche Fährte („…ist ja alles in Ordnung“). Und nicht zuletzt kann so eine reine Lobhudelei ziemlich aufgesetzt wirken.