Zurück zum Burnout?
Über den Umgang mit endlichen Ressourcen
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fand für einen Artikel zur Position des mittleren Managements in Unternehmen einen prägnanten Titel. Aus Sicht der Autorin haben mittlere Führungskräfte die undankbare Position eines „Lastesels der Konzernwelt“, die zwischen den Anforderungen der „echten“ Chefs und ihrer Teams zerrieben werden. Die Mehrheit der Führungskräfte ist auf dieser Hierarchieebene angesiedelt und agiert damit als Puffer zwischen der Unternehmensleitung und den operativen Mitarbeitern. Viele von ihnen verschleißen sich tagtäglich im Kampf um Wertschätzung, Einfluss und eigene Karrierechancen.
Hinzu kommt der immense Aufstiegsdruck in vielen Firmen. Wer als „High Potential“ in ein Unternehmen kommt und es nicht schafft, sich in seiner Performance nachhaltig von den Kollegen abzugrenzen, kann sich sehr schnell auf einer internen Negativ-Liste wiederfinden. Vor allem viele junge Führungskräfte ziehen daraus den Schluss, dass sie für das Erreichen ihrer persönlichen sowie der Unternehmensziele arbeiten müssen, bis sie kurz vor dem Burnout stehen. Die Statistik zeigt, dass immer mehr Menschen diese Grenze – scheinbar mangels Alternativen – überschreiten.
Permanenter Zeitdruck als die Crux von Führungskräften?
Symptomatisch an der Situation vieler Führungskräfte im mittleren Management ist permanenter Zeitdruck. Ein typisches Szenario, in dem Sie sich vielleicht 1:1 auch selbst wiederfinden: Montagmorgen. Über das Wochenende sind 50+ E-Mails in Ihrem Postfach eingegangen – nicht nur Sie, sondern auch andere Vertreter der „unbedingten Dringlichkeit“ sind hier am Werk. Der Abgabetermin für die neue Werbekampagne ist für Mittwoch angesetzt – objektiv haben Sie eigentlich keine Chance, diese Deadline noch zu halten. Im Moment brauchen Sie eigentlich mit gar nichts anzufangen – das aktuelle Wochenmeeting startet gleich und wird Sie zuverlässig bis zum Mittag blocken. Ihr Chef fordert immer dringlicher die Mitarbeitergespräche ein – ok, von Ihren eigenen Problemen hat dieser sowieso wenig oder keine Ahnung. Die Crux mit der Zeit setzt sich auch im privaten Leben fort. Ihre Familie würde Sie sehr gern mal wieder bereits zum Abendessen sehen. Stattdessen arbeiten Sie an vielen Tagen bis kurz vor Mitternacht und nehmen an den Wochenenden Arbeit mit nach Hause.
Und warum tun Sie sich das alles an? Sie werden sagen: Sachliche Erfordernisse, das Projekt, der Chef, die Firma.
Die inneren Blockaden: Idealismus, Ehrgeiz und versteckte Ängste
Wir halten dagegen: Der Stress im Arbeitsalltag ist in vielen Fällen hausgemacht, weil viele Führungskräfte kein effektives Zeitmanagement beherrschen. Vor allem bei jungen Managern kommt hier oft ein weiterer Faktor hinzu: Idealismus, Ehrgeiz und auch versteckte Ängste – Stichwort: Under-Performance und befürchtete negative Karriereschritte – führen dazu, dass sie die absolute Kontrolle über ALLE Aufgaben des Teams behalten wollen. Statt effektiv zu delegieren, erledigen sie das Gros der Arbeit selbst und schlagen sich die Nächte am Schreibtisch um die Ohren, wenn ihre Mitarbeiter schon längst zu Hause sind. Als Resultat fühlen sie sich in Ihrer Arbeit fremdbestimmt und von äußeren Erfordernissen getrieben. Vielleicht haben sie angesichts von „objektivem“ Stress und permanentem Zeitdruck bereits resigniert. Jedenfalls haben viele von ihnen jede persönliche Planung aufgegeben, da die Erfahrung zeigt, dass diese sowieso nicht realisierbar ist.
Wechseln Sie die Perspektive – und führen Sie tatsächlich!
Machen Sie sich zum Einstieg in eine wirkungsvolle Änderung bitte eine Sache klar: Eine Position als Führungskraft – auch und gerade im mittleren Management – bedeutet tatsächlich, dass Sie ihre Mitarbeiter führen und ihnen damit auch eigene Entwicklungschancen geben (auch Ihre eigene Beförderung hat mit Sicherheit nicht deshalb stattgefunden, um Sie dauerhaft zu überlasten, sondern, um Sie – nicht zuletzt als Anerkennung Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Expertisen – auf einen Karriereweg zu bringen, der sowohl für Ihr Unternehmen als auch für Sie persönlich zukunftsfähig ist). Wenn Sie in Ihrem Führungsstil vor allem auf Kontrolle setzen, bringen Sie zum einen eigene Unsicherheit ins Spiel, zum anderen legen Sie die Potentiale Ihrer Mitarbeiter brach. Weder durch Kontrolle noch durch (Über-) Engagement werden Sie erreichen, dass alle an einer Aufgabe/einem Projekt/einer Struktur Beteiligten Sie „lieben“. Respekt – und freien Raum für Ihre eigene Produktivität – gewinnen Sie, wenn Sie lernen, auch andere als sich selbst zu fordern und Ihren Erfolg nicht nur an der eigenen Leistung, sondern tatsächlich am Teamerfolg zu messen.
Zur Entwicklung Ihres persönlichen Profils als Führungskraft gehören nicht nur fachliche Exzellenz – die Sie mit Sicherheit in hohem Maße haben, sondern auch soziale Kompetenz und explizite Führungseigenschaften. Die Basics dafür sind aus unserer Sicht:
- der Mut, Grenzen zu setzen und Entscheidungen zu fällen
- eigene Prioritäten sowie Team-Prioritäten zu setzen und durch gezieltes Delegieren abzusichern
- Fordern – und Fördern – des gesamten Teams: Wenn Sie Aufgaben so verteilen, dass sie durch dafür optimal befähigte Mitarbeiter erledigt werden, verlassen Sie fast automatisch Ihre Rolle als ein Chef, der damit vor allem eine Kontrollfunktion verbindet und werden stattdessen als echter Koordinator tätig. Gleichzeitig eröffnen Sie Ihren Teammitgliedern eigen Profilierungsmöglichkeiten und langfristig auch Karrierechancen
- ein effektives Zeitmanagement, in dem Sie die Dringlichkeit der verschiedenen Aufgaben und Termine im Rahmen einer Matrix definieren und sowohl für sich selbst als auch für Ihr Team an einer „Prioritäten-Skala“ messen.
Natürlich ist Zeit eine endliche Ressource – sogar die endlichste Ressource, über die wir überhaupt verfügen. Umso wichtiger ist es, damit sorgsam umzugehen. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung eines Burnout als dem individuellen Worst-Case-Szenario, sondern um höhere Zufriedenheit und Exzellenz im Job. Auf die Gesamtstruktur bezogen, eröffnet ein Zeitmanagement, das sich nicht nur an den jeweils dringlichsten Details, sondern an Nachhaltigkeit und strategischen Zielen orientiert, Chancen für wirklich produktive und in der Folge auch für kreative „Unternehmensräume“.
Führungstipps:
- Mut zu Grenzen, Entscheidungen und Prioritäten
- Definition von persönlichen und Team-Prioritäten „in der Matrix“
- Koordination und Delegieren statt Kontrolle
- Effektives Delegieren – an jene Mitarbeiter, die „es“ am besten können oder für bestimmte Aufgaben konkrete Entwicklungspotentiale haben
- Perspektivwechsel: Weg von der Fokussierung auf die eigene Leistung und Performance, hin zu echter Teamwork
Quellen:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/mittelmanager-sind-in-einer-aufreibenden-sandwichposition-a-882289.html
http://m.welt.de/article.do?id=wirtschaft/article113159916/1800-Prozent-mehr-Krankentage-durch-Burn-out
http://de.wikipedia.org/wiki/Eisenhower-Prinzip