Der Wechsel in eine Führungsposition – oft komplizierter als gedacht
Beruflicher Aufstieg gilt vielen als das Non-Plus-Ultra eines erfolgreichen Arbeitslebens. Berufsanfänger gehen oft schon mit klar definierten Karrierezielen an den Start und arbeiten danach über Jahre auf den Aufstieg in die Chefetage hin. Attraktiv erscheint der Wechsel auf eine Position aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: Chef-sein bedeutet spannendere Arbeitsinhalte, größere Verantwortung, einen höheren Status und natürlich auch mehr Geld und Macht.
Viele potentielle Führungskräfte vergessen jedoch die andere Seite der Medaille: Nach der Beförderung müssen sie zum Teil erheblich größeren Druck ertragen. Im mittleren Management verantworten sie das operative Geschäft des Unternehmens und befinden sich damit in der Regel in einer ‚Sandwich-Position‘, auf der sie zwischen den Interessen ihrer Mitarbeiter und den Anforderungen der Unternehmensleitung permanent vermitteln müssen. Als Teamplayer müssen sie sich in der neuen Rolle erst wieder finden. Gerade wenn sie sich aus ihrem alten Team auf eine Führungsposition entwickelt haben, ändert sich der Verhältnis zu den früheren Kollegen, auf der neuen Hierarchieebene müssen sie sich erst wieder ein Netzwerk schaffen. Eine Studie aus Australien kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die meisten Beförderten zwar anfangs euphorisch reagieren, sich dieser Effekt im Verlauf von drei Jahren jedoch völlig legt – langfristig überwiegen die zeitlichen und psychischen Belastungen durch die Führungsposition. Die Mehrheit der Befragten outete sich als stressgeplagt.
Neue Chefs auf Führungsposition oft ungenügend vorbereitet
Einmal abgesehen von den objektiv höheren Anforderungen an Performance und Arbeitsleistung in einer Führungsposition: Die Crux für viele Newcomer in der Chefetage ist, dass sie niemand auf das Führen vorbereitet hat. Hohen Erwartungen an sich selbst und an den neuen Job stehen ungeklärte Rollenbilder und Verhaltensweisen gegenüber: Wie gewinnt die neue Führungskraft Autorität in ihrem Team? Welche Strategien sind erforderlich und realistisch, um sich auch gegenüber Neidern und Blockierern durchzusetzen? Wo liegen persönliche Prioritäten und was lässt sich delegieren? Am schwierigsten zu lernen ist für die Neuen oft, dass eine Führungsposition von Zeit zu Zeit auch erfordert, sich bei Mitarbeitern oder Kollegen unbeliebt zu machen. Was sie über Führung wissen – aus dem Studium oder aus Seminaren – bleibt zunächst abstrakt. Der große Rest ist „Learning on the job“.
Fakt ist: Auf die Glückwünsche der Kollegen, den Umzug ins neue Büro und vielleicht auch eine Feier inklusive einer optimistischen Antrittsrede folgt oft zunächst die Erfahrung von Einsamkeit auf der Führungsposition. Die neuen Führungskräfte müssen ihren Kommunikations- und Führungsstil erst noch entwickeln. An der Frage, ob sie die Akzeptanz ihrer Mitarbeiter dauerhaft gewinnen können, entscheidet sich ihre mittel- und langfristige Performance in der neuen Rolle. Essentiell dafür ist ein fortgesetzter positiver Austausch innerhalb des Teams, der nicht nur sachbezogen-rational, sondern auch emotional bindend und integrierend wirkt. Die Verantwortung dafür trägt maßgeblich die Führungskraft. Ob der neue Chef den Wechsel in die Führungsposition in dieser Dimension bewältigt, hat nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter/seines Teams, sondern auch auf seinen persönlichen Erfolg.
Authentische und gute Führung lässt sich lernen
Nach dem Wechsel auf die Führungsposition brauchen neue Chefs nicht zuletzt eine klare, authentische und auf ihre Persönlichkeit zugeschnittene Führungsstrategie. Naturtalente oder Menschen, die bereits Führungserfahrung erworben haben, bauen ihre Führungsfähigkeiten vielleicht intuitiv, im Einzelfall fast spielerisch und auf einer sehr demokratischen Basis aus. Andere sind darauf angewiesen, im Umgang mit ihren Teams ein persönliches System von Verhaltensregeln zu entwickeln und ihre Führungsarbeit sehr stringent zu strukturieren, um den Spagat zwischen den Anforderungen der Mitarbeiter und der eigenen Vorgesetzten zu schaffen. Komplexe Selbstreflexion ist dafür unverzichtbar. Idealerweise wird sie durch ein Management- und Führungskräftetraining ergänzt, das nicht auf abstrakten Positionen, sondern auf dem Wissen um gruppendynamische Prozesse, emotionalen Faktoren und vor allem auf den individuellen Voraussetzungen und Praxis-Konstellationen von Führungskräften aufbaut.
Schlechte Vorgesetzte hingegen lassen die neue Führungskraft mit ebenso einfachen, wie dümmlichen Sprüchen à la „Der muss sich halt freischwimmen“ im Regen stehen.
Fazit:
- Die Entwicklung von Führungsfähigkeiten ist ein Prozess und für neue Führungskräfte oft schwieriger als ursprünglich erwartet.
- Die Ausprägung einer klaren, authentischen und individuellen Führungsstrategie ist sowohl für den Teamerfolg als auch für den Erfolg der Führungskraft unverzichtbar.
- Authentische und gute Führung ist erlernbar – „on the job“, durch Selbstreflexion und Führungskräftetrainings, die statt abstrakter Konzepte praktisches Wissen für den „Führungsalltag“ inklusive seiner gruppendynamischen, kommunikativen und emotionalen Komponenten vermitteln.
Quellen:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/befoerderungen-im-beruf-machen-nicht-gluecklicher-a-846371.html
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/erst-kollege-dann-chef-die-schattenseiten-der-befoerderung-a-855845.html