Flagshipstores: Fehlt der Glaube an die Steuerbarkeit des Einzelhandels?

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Der Düsseldorfer Unternehmer Albert Eickhoff gehört zu den Urgesteinen des Düsseldorfer Mode-Einzelhandels. Seinen ersten Modesalon eröffnete der heute 78-jährige in Lippstadt-Westfalen. 1978 war er mit einer eigenen Versace-Show schließlich auf dem Olymp der Modeszene angekommen. Drei Jahre später zog er mit seinem Geschäft an die Düsseldorfer Königsallee, 1988 dann an die Kö 30 und damit an eine der allerersten Adressen der rheinischen Metropole. In der bundesdeutschen Millionärshauptstadt galt Eickhoff lange als das Maß aller Dinge, sofern es um Luxusmode ging – in einer Branche, die sich ständig neu erfindet, eine große Leistung und nicht nur in Deutschland eine Rarität.

Inzwischen hat sich für den „Paten“ das Blatt jedoch gewendet. Obwohl sein Unternehmen schwarze Zahlen schreibt, im Jahr 2012 Umsätze von insgesamt 27 Millionen Euro für sich verbuchen konnte und auch für 2014 mit guten Prognosen rechnet, gab Eickhoff sein Geschäft Ende letzten Jahres auf. Die Räumlichkeiten des Traditionshauses werden von der französischen Luxusmarke Dior übernommen, die dort demnächst einen Flagshipstore eröffnet.

Flagshipstores: Steht der Premium-Einzelhandel in der Modebranche vor dem Aus?

Der Hauptgrund für das Aus von Eickhoffs legendärem Traditionsgeschäft liegt in den strukturellen Veränderungen im Modeeinzelhandel. In den vergangenen Jahrzehnten sind Premium-Labels wie Dior, Versace, Gucci oder Prada zu den schärfsten Konkurrenten ihrer früheren Vertriebspartner geworden und eröffnen ihre eigenen Flagshipstores zum Teil direkt neben deren Läden. Noch vor nicht allzu langer Zeit galt das Aufbrechen der traditionellen Unterteilung in Hersteller, Groß- und Einzelhändler als kommerzieller Selbstmord. Inzwischen agieren auch in der Modebranche die Hersteller jedoch als weltumspannende Konzerne, die ihre Produkte im Rahmen einer globalen Strategie bewerben und vermarkten. Die Flagshipstores garantieren ihnen einen einheitlichen Markenauftritt. Der globale Kunde kann sich sicher sein, dass er dort jeweils identische Produkte und Markenwelten finden kann. Zudem gehören die meisten Premium-Fashionmarken heute börsennotierten Unternehmen, in denen – wie in anderen Konzernen auch – der Zwang zum Sparen auch durch die Shareholder-Interessen vorgegeben ist.

Mercedes-Benz: Künftig auch Direktvertrieb im Internet

Der Autobauer Daimler vollzieht hinter den Kulissen einen anderen Schritt. Die Flagshipstores der Autohersteller waren bisher die großen Autohäuser. Daimler will nun eine Online-Offensive starten und einen großen Teil seiner Modelle direkt im Internet vermarkten. Für die Branche ist dies bisher bis auf wenige Ausnahmen ein absolutes Novum. Der Anstoß dazu kommt nun ausgerechnet aus dem Premium-Segment. Dahinter stehen kommerzielle Ängste ebenso wie Rationalisierungspläne. Das Internet hat die Kaufgewohnheiten der jüngeren Generationen nachhaltig verändert – die Daimler-Firmenlenker befürchten, dass sie in den klassischen Vertriebskanälen irgendwann nicht mehr genügend Kunden haben. Zum anderen sind die 34 konzerneigenen Niederlassungen sowie die 95 Handelspartner für das Unternehmen ein immenser Kostenfaktor.

Daimler betont zwar, dass es darum gehe, eine tragfähige Multi-Channel-Strategie zu entwickeln, die Anzahl der „Verkaufspunkte“ in Deutschland jedoch stabil gehalten werde. Auch Rabatt-Aktionen im Internet seien nicht geplant. Bei den Mercedes-Händlern macht sich trotzdem Sorge breit. Optimistisch gibt sich dagegen der Verband der Mercedes-Benz-Vertreter (VMB). Verbandschef Peter Ritter hält den Aufbau einer starken Internet-Präsenz sogar für positiv. Entscheidend für den geschäftlichen Erfolg der Autohäuser werde in Zukunft ein gutes „Routing“ sein, also die Art und Weise, wie Online-Kunden künftig an einen konkreten Autohändler weitergeleitet werden. Die Stimmen der Wettbewerber sind bisher verhalten. Zwar vertreibt BMW seinen Elektrowagen „i3“ selbst im Internet, betont jedoch, dass die Autohäuser in der Vertriebsstrategie des Konzerns nach wie vor die zentrale Rolle spielen. Aus Wolfsburg kommen „konservative“ Töne: VW setze bis auf weiteres klar auf seine Handelsorganisation, eine enge Kundenbindung sowie persönliche Beratung durch qualifizierte Verkäufer.

Trend zu Flagshipstores und Internet – ein Führungsproblem der Markenproduzenten?

Die Vertriebsszenarien von Dior und Daimler umreißen einen allgemeinen Trend, der langfristig zum Aussterben der klassischen, gemischt sortierten Einzelhändler führen könnte. In der Modebranche wird diese Entwicklung besonders deutlich – das Bild unserer Einkaufszonen wird im Premium-Segment durch die diversen Flaghipstores und in den Ebenen darunter durch die Filialen der großen Textilhandelsketten geprägt. Die Masse des Umsatzes verlagert sich – für Mode ebenso wie für viele andere Branchen – jedoch zunehmend ins Internet. Im Kern bedeutet dies, dass die Hersteller den Glauben an ihre Mitarbeiter – also die Verkäufer – tendenziell verlieren und ihnen inzwischen weniger verkäuferische Leistungen zutrauen als einer Onlineplattform oder absolut normierten Markenwelten. Anders formuliert – die Unternehmen distanzieren sich von Menschen und stellen rein rationale Beweggründe in den Vordergrund.

Aus unserer Sicht ergibt sich daraus mehr als eine Frage. Bleiben wir bei Mode oder Autos – beide Güter sind bei den Kunden in sehr hohem Maß emotional besetzt. Ist eine noch so attraktiv gestaltete Internetpräsenz wirklich in der Lage, diese Emotionalität zu bedienen und im Shopping-Prozess aktiv zu vermitteln? Ebenso berechtigt ist, danach zu fragen, ob sich hinter der Abkehr von den „traditionellen“ Multi-Label-Stores nicht in erster Linie ein Führungsproblem verbirgt. Schaffen es die gemischt aufgestellten Einzelhändler wirklich nicht (mehr), die Inszenierung einer Marke zu vermitteln – und mit Beratungsexzellenz ebenso wie mit einer individuell kommunizierten Emotionalität zu unterlegen? Welche Unterstützung bekommen sie von den Markenherstellern dafür? Welche Einsparpotenziale bieten die Flagshipstores gegenüber dem konventionellen Einzelhandel wirklich? Fakt ist: Die Produzenten finden sich in den Multi-Label-Stores offenbar nicht wieder und trauen diesen nicht mehr zu, ihre Marken verkaufsfördernd zu platzieren.

Gleichzeitig wissen wir aus diversen – darunter auch unseren hausinternen – Studien, dass sich Kunden vom Handel sowohl Diversität als auch persönliche Beratung wünschen. Online-Shops und auch die Flagshipstores stoßen dabei durchaus an ihre Grenzen. Die Alternative besteht in einer Multi-Channel-Strategie, in der auch der konventionelle Einzelhandel einen prominenten Platz hat. Voraussetzung dafür ist eine unternehmensübergreifende Kommunikation zwischen Markenherstellern und Einzelhändlern mit dem Ziel einer optimalen Marken- (und Mitarbeiter-) Führung.

Fazit:

  • Im Zeitalter von Internet und Flagshipstores müssen sowohl Hersteller als auch der gemischte Einzelhandel ihre Vorstellungen von Marken- und Mitarbeiterführung überdenken.
  • Moderne Kunden wünschen sich sowohl Diversität als auch qualifizierte Beratung – die Kombination von beidem können nur die traditionellen Multi-Label-Stores leisten.
  • Führung bedeutet auch in diesem Kontext, durch „perfekte“ Kommunikation Ratio und Emotionalität angemessen zu verbinden – im Hinblick auf die Markeninszenierung, vor allem jedoch in der Beziehung zwischen Kunden und Verkäufern.

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Eickhoff
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/daimler-prescht-online-vor-abgesang-auf-das-autohaus-1.1832253

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