Führung ohne Macht
Was Sie mit strategischer Kommunikation erreichen können
Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor? Sie betrachten sich als hervorragenden Teamarbeiter. Mit Ihren Aufgaben und mit Ihren Kollegen fühlen Sie sich wohl. Auf Ihre fachliche Expertise können Sie sich absolut verlassen. Es könnte also eigentlich alles so bleiben, wie es ist. In der Praxis erwarten Unternehmen vor allem von ihren High Potentials allerdings eine dynamische Entwicklung inklusive des Aufbaus von Führungsqualitäten. Die eigen-verantwortliche Leitung einer Projektgruppe oder die fachliche Führungsverantwortung sind oft der erste Schritt – und in einer Matrixorganisation oft auch ein Test, ob und wie es für Sie darin auf der Karriereleiter weitergeht.
Wenn Sie sich von Natur aus in der Alpha-Rolle sehen, haben Sie mit dieser Veränderung sehr wahrscheinlich kein Problem und lassen sich optimistisch auf das Thema „Führung“ ein. Vielleicht stehen Sie vor Ihrer neuen Rolle als Projektleiter aber auch wie vor einer Wand. Sie wissen aus Erfahrung, wie schwer es ist, Kollege X auf eine Deadline einzuschwören und sind sich ziemlich sicher, dass Kollege Y Ihre informelle Leitungsfunktion von Anfang an torpedieren wird. Auf reale Schwierigkeiten können Sie in beiden Fällen stoßen. Als Negativ-Szenario: Die Gruppe blockt, findet keinen Konsens und folglich keine Basis für produktive Arbeit. Zwischen den Anforderungen des Projekts und dem Verhalten Ihres Teams fühlen Sie sich in einer Sandwich-Position.
Führungs-Tipps
- Zunächst die einzelnen Projektmitglieder gut kennenlernen und herausfinden, was deren persönliche Motive und Ziele sind
- Vertrauen ist die Grundlage von Führung ohne Macht. Es gilt also, aktiv eine Vertrauensbasis herzustellen
- Nicht davon auszugehen, dass alle das gleiche Ziel haben. „Sinnstiftung“ und gemeinsames Problembewusstsein müssen hergestellt werden
- Überzeugen statt Überreden, z.B. durch die Methode der ‚Überzeugungstransfer-Dialektik‘
- Einbezug aller Mitglieder
- Direktes Konfliktgespräch statt Petzen oder Jammern
Führung ohne Macht – die Basis ist Vertrauen
Schwelende Konflikte auszusitzen, angesichts des Widerstands der Gruppe die Hauptarbeit für das Projekt zu übernehmen oder Ihren eigenen Chef als formale Autorität ins Boot zu holen, löst die Probleme nicht, sondern führt sowohl im Hinblick auf die Projektaufgabe als auch auf Ihre Position im Team weiter ins Fiasko. „Gewinnen“ können Sie dagegen, wenn Sie sich klarmachen, dass es bei der scheinbar verfahrenen Situation um gruppendynamische Prozesse geht, die sich durch aktive Einflussnahme steuern lassen.
Führung ohne Macht basiert auf Vertrauen, das Sie durch Ihre Interaktion mit den anderen Teammitgliedern erst schaffen müssen. Durch den Wechsel in eine informelle Führungsposition haben Sie Ihre bisherige Rolle im Team oder im Unternehmen zumindest tendenziell verlassen – auch Ihre Kollegen müssen dadurch ihre Perspektive ändern. Gleichzeitig muss sich die Gruppe erst als solche finden und in diesem Prozess eine positive Identität mit realer Leistungsfähigkeit verbinden. Als „informeller Chef“ befinden Sie sich hier in einer besonderen Position. Ihre (Führungs-)Aufgabe besteht darin
- die einzelnen Teammitglieder positiv zu integrieren und damit innerhalb der Gruppe eine klare Rollenverteilung zu erreichen,
- ein gemeinsames Problembewusstsein und damit „Sinnstiftung“ innerhalb des Teams zu schaffen,
- Konflikte offen anzusprechen und durch das Einbeziehen aller Gruppenmitglieder zu lösen.
Überzeugungstransfer durch strategische Kommunikation und Dialektik
Im Kern geht es darum, dass Sie für Ihr Team als Coach agieren. Ihr wichtigstes Handwerkszeug dafür ist eine strategisch definierte Kommunikation, die sich im Teambildungs-Prozess auf klare Ziele fokussiert und persönlich überzeugend ist. Kommunikationsexperten sprechen in diesem Zusammenhang auch von der Anwendung dialektischer Prinzipien, die sich auf zwei grundsätzlichen Ebenen entfalten:
- Durch kommunikative Dialektik werden Überzeugungen auf das Gegenüber/auf die Gruppe transferiert und Probleme kommunikativ zielgerichtet angegangen. Sie zielt damit direkt auf die Gruppenbildung und die kommunikative Steuerung gruppendynamischer Prozesse ab.
- Diskursive Dialektik beruht darauf, durch „gemeinsames Lernen“ einen Konsens zu erzielen. Damit ist sie mit der fachlichen Kommunikation innerhalb der Gruppe, den objektiv erreichten Zielen und Erfolgen sowie der Außenwirkung/Außendarstellung des Teams eng verbunden.
Durch das Zusammenbringen dieser beiden Dimensionen definieren Sie die Identität der Gruppe zielgerichtet und auf einer objektiven Basis, die den einzelnen Mitgliedern des Teams gleichzeitig genügend Raum lässt, ihre eigenen Expertisen und Persönlichkeiten einzubringen. In der Praxis benötigen Sie dafür rhetorische Fähigkeiten, analytische und interaktive Kompetenzen in gruppendynamischen Prozessen sowie ein sicheres inneres „Standing“.