Change in der Unternehmenskultur
oder: Die Erkenntnis, dass ein Wechsel nötig ist
Aus der Finanzwelt kamen in den letzten Monaten nicht nur Nachrichten darüber, wie es um die Branche in der Erholungsphase nach der Krise steht. Sowohl intern als auch in der Öffentlichkeit sorgte eine Reihe von Todesfällen für einen Schock. Zuletzt wurde im Januar 2014 der Deutsche-Bank-Manager William Broeksmit erhängt in seiner Wohnung in London aufgefunden. Broeksmit galt als enger Vertrauter des früheren Investmentchefs und heutigen Co-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain. Ursprünglich hatte Jain ihn als Risikovorstand des Hauses vorgesehen, was seinerzeit die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) wegen mangelnder Führungserfahrung untersagte. Broeksmit schied Anfang 2013 schließlich vorzeitig aus dem Unternehmen aus.
Ärztliche Dokumente, die in der Untersuchung des Suizids vor dem High Court eine Rolle spielten, belegen, dass er im vergangenen Sommer wegen behördlicher Ermittlungen in seinen früheren Arbeitsbereichen „sehr ängstlich“ wirkte, sich gegen Ende des Jahres jedoch offenbar gefangen hatte. Nach seinem Tod vermeldete das Geldhaus öffentlich, dass es gegen Broeksmit zu keinem Zeitpunkt den Verdacht eines Fehlverhaltens gab.
Broeksmit ist in der Branche alles andere als ein Einzelfall. In London haben Banken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwaltskanzleien im letzten Jahr deshalb die „City Mental Health Alliance“ gegründet, zu deren Mitgliedern inzwischen 18 Unternehmen zählen, darunter die Bank of England, KPMG und Goldman Sachs. Ihr Chairman Peter Rogers meint, dass in der Londoner City zuvor niemand wirklich über psychische Probleme gesprochen habe. Damit ein Kulturwandel in Richtung auf mehr Wohlbefinden der Mitarbeiter erfolgreich ist, sei jedoch seine Akzeptanz auf höchster Ebene nötig.
Nachhaltiger Change – nicht ohne kontinuierliches Feedback und Emotionen
Hier sind wir bei unserem Stichwort: Change. Broeksmit ist unter anderem das Opfer eines Change-Prozesses, der bei der Deutschen Bank – zusammen mit massiven juristischen, wirtschaftlichen und personellen Turbulenzen – seit einigen Jahren vor sich geht. Mit den individuellen Konsequenzen dieser Prozesse wurde der Manager von seinen Vorgesetzen und Kollegen an der Unternehmensspitze offensichtlich weitestgehend allein gelassen. Aus unserer Sicht ist dies kein Einzelfall und betrifft keineswegs nur die Chefetage. Permanenter Change prägt heute den Alltag fast aller Unternehmen. Oft wird er von oben proklamiert und als abstrakte Größe durchgesetzt. Die Befürchtungen – und auch die kreativen Potentiale – der Mitarbeiter spielen dabei keine Rolle, was zu Demotivation, psychischem und äußerem Druck sowie im Extremfall zu massiven Ängsten führt.
Der US-amerikanische Managementberater Paul Rupert sieht als Hauptursache, dass der Change in vielen Unternehmen nur proklamiert wird, offenes Feedback und Emotionen hingegen ausgespart bleiben. Das Resultat besteht in schlechtem Management, das seine Ursache analog zum Rauchen weniger in Ignoranz als in schlechter Gewohnheit hat. Solche Gewohnheiten – beispielsweise eine fehlende Feedback-Kultur oder die Tatsache, dass Manager sich an den allgemein anerkannten und dominanten Standards orientieren – beanspruchen nahezu universelle Gültigkeit. Die jahrzehntealte Gewohnheit „wissenden Schweigens“ sei gefährlich für die Gesundheit von Individuen ebenso wie von ganzen Organisationen – die Alternative bestehe darin, in Unternehmen die Fähigkeit zu gegenseitigem Respekt zu etablieren. Erforderlich dafür sind nachhaltige Verhaltensänderungen durch permanente Trainings, Coachings und alltäglichen Support. Das Fundament für einen solchen Wandel sei kontinuierliches Feedback, das jeden einzelnen Mitarbeiter nicht nur auf rationale Weise in Prozesse integriert, sondern ihn bei seinen Emotionen abholt.
Verhaltensänderung durch Transparenz und Emotionen
Der Zürcher Psychologie-Professor Theo Wehner formuliert die Problematik so: Das Schwierigste bei Change-Prozessen sei, dass die Betroffenen umlernen, Gewohnheiten aufgeben und neues Wissen zulassen müssten, ohne ganz auf das alte zu verzichten. Dies sei viel schwieriger als etwas völlig neu zu lernen. Einige Unternehmen haben dies erkannt und beziehen ihre Mitarbeiter aktiv in Change-Prozesse ein. Siemens-Chef Joe Kaeser warnt seine Manager vor Arroganz und verlässt sich beim Umbau des Konzerns nicht auf hochbezahlte externe Berater, sondern auf die Expertise seiner eigenen Mitarbeiter. Seine Frage lautet, wie in großen Unternehmen tausende unterschiedliche Menschen in Change-Prozessen so angesprochen und ausgerichtet werden können, dass sie darin für sich selbst Handlungsmaximen finden. Kaeser leitet daraus zwei Konsequenzen ab: Manager und Mitarbeiter müssen so handeln, als wäre das Unternehmen ihre eigene Firma. Möglich wird dies durch eine Kultur des „verpflichtenden Eigentums“, durch das Übernehmen von Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung einer Firma.
Unser Fazit: Jeder Change setzt unbewusste Emotionen und auch Ängste frei. Vor allem durch diese emotionale Komponente wird eingeübtes Verhalten aufgebrochen. Ohne das positive Einbeziehen aller Hierarchieebenen und jedes einzelnen Mitarbeiters geht dies jedoch nicht. Ein gemeinsames Problembewusstsein und damit gemeinsame Aktionen lassen sich nur durch das Zusammenspiel von Emotion und Ratio erreichen.
Praxistipps:
- Proklamieren Sie den Wandel in Ihrem Unternehmen nicht, sondern sorgen Sie für eine offene Kommunikationskultur, die durch Transparenz getragen wird und auch Emotionen Raum gibt.
- Agieren Sie als Change-Agent: Greifen Sie die Ideen, Stimmungen und Ängste Ihrer Mitarbeiter auf. Steuern Sie den Change bewusst auf Basis gruppendynamischer Prozesse.
- Schaffen Sie Bewusstsein für den Change, entwickeln Sie die entsprechenden Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter und emotional motivierende Strategien für unvermeidbare Stagnations- und Krisenphasen.
Quellen:
https://bosch-ag.com/frueher-war-sogar-die-zunkunft-besser/
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/broeksmit-tod-untersucht-selbstmorde-lassen-finanzbranche-umdenken/9664442.html#
http://www.tlnt.com/2014/03/11/bad-management-is-a-lot-like-smoking-its-not-ignorance-but-a-bad-habit/
http://www.wiwo.de/erfolg/management/change-management-change-agents-sollen-aengste-nehmen/9680978-3.html
http://www.huffingtonpost.de/2014/03/19/siemenschef-kaeser-warnt-_n_4992495.html