Führung in der Krise?

oder: Warum ein Ombudsmann bei Führungsproblemen nicht wirklich weiterhilft

Das öffentliche Image der Handelskette Aldi hat im September 2013 unter einem Misshandlungsskandal gelitten, der daneben auch belegt, dass es mit der Qualität der unternehmensinternen Führung nicht zum Besten steht.
Im baden-württembergischen Mahlberg hatten Mitarbeiter des Aldi-Süd-Zentrallagers missliebige Auszubildende mit Frischhaltefolie gefesselt und mit Filzstiften im Gesicht beschmiert. Möglicherweise haben sich die Misshandlungen sogar mehrfach zugetragen.

Einer der Betroffenen berichtete dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass die Frischhaltefolie so straff gespannt war, dass er kaum noch atmen konnte. Aldi Süd hat die Vorfälle im Kern bestätigt. Die Staatsanwaltschaft Freiburg ermittelt wegen des Verdachts von Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Nötigung.

Findet bei Aldi Süd überhaupt positive Führung statt?

Spannend ist vor diesem Hintergrund allerdings die Art und Weise, wie Aldi Süd die Vorfälle intern behandelt. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Misshandlungen hat das Unternehmen mit insgesamt sieben Beteiligten Aufhebungsverträge ausgehandelt, in denen offenbar auch Abfindungen vereinbart wurden. Per Aufhebungsvertrag entlassen wurden neben drei direkt beteiligten Lagerarbeitern auch der Prokurist der Regionalgesellschaft, der verantwortliche Bereichsleiter und dessen beide Stellvertreter. Zuvor habe das Management alternativ fristlose Kündigungen erwogen, sich aber dann doch für das bei Aldi übliche Prozedere entschieden. Wenn es im Unternehmen Probleme mit Mitarbeitern gibt, versucht Aldi in der Regel, sich deren Stillschweigen nach außen durch Abfindungszahlungen zu erkaufen.

Außerdem hat Aldi Süd als Interessenvertretung der Mitarbeiter einen Ombudsmann bestellt, der seine Tätigkeit Anfang Oktober aufgenommen hat. Betriebsräte gibt es bei Aldi grundsätzlich nicht. Bei vermuteten arbeitsrechtlichen Verstößen, Problemen im Bereich der Arbeitssicherheit, dem angeblichen Fehlverhalten Vorgesetzter, Diebstahl, Unterschlagung oder Mobbing können sich die Mitarbeiter künftig an diesen Vertrauensanwalt wenden. Die Handelskette bestreitet allerdings, dass zwischen der Bestellung des Ombudsmannes und den Misshandlungen ein Zusammenhang bestehe, Aldi Süd wolle für die Mitarbeiter damit generell einen „rechtlich geschützten Raum“ im Unternehmen schaffen.

In Bezug auf die internen Strukturen bei Aldi Süd werfen sowohl der Misshandlungs-Skandal selbst als auch die Reaktion des Unternehmens darauf Fragen auf. Vieles deutet darauf hin, dass das Unternehmen seine Definition von Führung ausschließlich auf möglichst hohe Umsatzzahlen sowie den Schutz seiner Interna vor den Augen der Öffentlichkeit projiziert. Anders formuliert: Es ist durchaus fraglich, ob Aldi Süd überhaupt positive Führung praktiziert.

Ombudsleute können gute Führungskräfte nicht ersetzen

Ombudsleute können gute Führung – und gute Führungskräfte – nicht ersetzen. Im Gegenteil können solche Institutionen dazu führen, dass die Rolle der Führungskräfte im Unternehmen ausgehebelt wird. In jedem Fall etablieren sich damit Gremien und Prozesse, die – da sie der Tendenz nach außerhalb der internen Strukturen stehen – vermutlich kaum mit Leben erfüllt sein werden. Nachhaltige unternehmerische Erfolge sowie eine wirklich produktive und menschlich positive Firmenkultur lassen sich damit nicht erzielen – bei Aldi geht es beispielsweise erklärtermaßen nicht um Klasse, sondern um Masse sowie ein „traditionelles“ Firmen-Image.

Positive Führungskultur – für unternehmerische Exzellenz ein Muss

Für die Entwicklung von unternehmerischer Exzellenz und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit kommen Unternehmen nicht umhin, eine positive Führungskultur zu entwickeln – und zwar sowohl auf der Ebene der strategischen Entscheider als auch des mittleren Managements. Das Beispiel Aldi mag „firmenpolitisch“ gesehen ein spezieller Fall sein – auch Führungskräften in anderen Unternehmen fällt es jedoch schwer, in dieser Hinsicht wirklich Profil zu zeigen. Viele Führungskräfte leiden unter immensem Zeit- und Arbeitsdruck, führen im Rahmen „flacher Hierarchien“ viel zu große Teams oder müssen ihre eigenen Management- und Führungsqualitäten erst noch entwickeln.

Vor allem die Firmenleitung ist hier in mehreren Dimensionen in der Pflicht: Einerseits muss sie eine positive Vision von Führung formulieren und auf allen hierarchischen Ebenen praktisch etablieren. Zum anderen geht es darum, die Position der Führungskräfte in Unternehmen generell zu stärken. Dabei geht es weniger um formale Autoritäten, sondern das Schaffen von Strukturen, in der die einzelne Führungskraft ihr Potential optimal entfalten kann, Transparenz gegeben ist und eine ausgewogene Balance zwischen Teamwork und Führung existiert.

Praxistipps:

  • Arbeiten Sie an der Entwicklung einer positiven Führungskultur in Ihrem Unternehmen/Ihrer Abteilung. Fordern Sie von Ihren eigenen Vorgesetzen dafür aktive Unterstützung ein.
  • Halten Sie persönlichen Kontakt zu Ihren Mitarbeitern – produktive Teamarbeit ist auch „Beziehungsarbeit“!
  • Fokussieren Sie sich als Führungskraft nicht ausschließlich auf Ihre eigene Leistung und Performance sondern auf die Performance Ihres Teams. Ihre Aufgabe als Führungskraft besteht nicht zuletzt darin, Ihre Mitarbeiter zu hohen Leistungen zu motivieren.
  • Arbeiten Sie mit klaren und transparenten Zielvorgaben und Kontroll-Routinen.
  • Entwickeln Sie bei – und zusammen mit – Ihren Mitarbeitern den „Blick fürs große Ganze“ – den Erfolg des Unternehmens.

Quellen:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/handel/nach-missbrauchsskandal-aldi-mitarbeiter-haben-einen-ombudsmann-a-928907.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/aldi-in-mahlberg-staatsanwaelte-ermitteln-wegen-fesselung-von-aldi-azubis-12586962.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/staatsanwaltschaft-ermittelt-wegen-misshandlungen-von-aldi-azubis-a-923888.html