Sanierung und Controlling: Wird die Sau vom Wiegen doch schwerer?

oder: Wenn Geisterschiffe wiederkehren

Betriebliche Weihnachtsfeiern für die Mitarbeiter gab es bei Vodafone im vergangenen Dezember nicht. Das neue Sparprogramm für den Düsseldorfer Konzern nennt sich „Fit for Growth“. Es soll die jährlichen operativen Kosten von zwei Milliarden Euro um 100 Millionen netto mindern. Auch betriebsbedingte Kündigungen für einen Teil der rund 11.000 Beschäftigten sind laut Vodafone-Deutschland-Chef Jens Schulte nicht völlig ausgeschlossen.

Sanierung und die Herrschaft des Controlling sind zwei prägende Momente der modernen Wirtschaftswelt. Oft definieren sie sogar die Vision der Firma. Vodafone muss einerseits die milliardenschwere Übernahme von Kabel Deutschland stemmen und will sich mit ‚Fit for Growth‘ gleichzeitig für künftige Kostensteigerungen durch Inflation oder steigende Energiepreise wappnen. Das Einsparziel des Managements von Vodafone liegt langfristig nicht bei 100, sondern bei 200 Millionen Euro. Vodafone hat dabei Glück – es handelt sich keinesfalls um eine Notsanierung, um den Unternehmenskollaps zu verhindern. Bei anderen Unternehmen sieht dies ganz anders aus. Zusammen mit einer Notsanierung erfolgt in der Regel auch ein Wechsel in der Chefetage respektive etwas Rotation unter den Top-Entscheidern dieser Welt.

Vodafone, Blackberry, Deutsche Bank – visionslose Herrschaft des Controlling

Beim kanadischen IT-Konzern Blackberry setzt seit Januar 2014 der ehemalige SAP-Manager John Sims den Rotstift an. Ob er schafft, das angeschlagene Unternehmen zu retten, steht in den Sternen. Dass Blackberry weitere kommerzielle Misserfolge überleben wird, erscheint aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Ebenso unklar ist, ob Sims in der Lage ist, für Blackberry eine neue strategische Vision und vor allem ein innovatives Produktportfolio zu definieren sowie in die Praxis umzusetzen. Die Kernkompetenz des früheren Chefs von SAP Mobile Devices liegt nicht im IT-Bereich, sondern „in der Transformation von Unternehmen, der Motivation von Mitarbeitern sowie der Re-Definition von Marken“ – im Klartext: In Sanierung und Controlling.

Auch die Deutsche Bank hatte kurz vor dem Jahreswechsel noch eine spannende Personalie zu bieten. Der bisherige McKinsey-Mann Thomas Poppensieker wechselte zum Jahresanfang auf die neugeschaffene Kontrolleurs-Position des Instituts. Poppensieker soll künftig die verschiedenen Controlling-Abteilungen der Deutschen Bank koordinieren und für einheitliche Standards sorgen. Bisher war er auf Berater-Seite in das Risikomanagement, das Controlling sowie die Sanierung verschiedener Banken involviert. Außerdem hat er die Europäische Kommission bei der Entwicklung von schärferen Regeln für die Finanzbranche unterstützt. In seiner neuen Position kommt viel Arbeit auf ihn zu. Die Bank ist weltweit in zahlreiche juristische Auseinandersetzungen verwickelt – zuletzt machte sie wegen Zinsmanipulationen von sich reden. Der neue Top-Manager soll nun die internen Kontrollsysteme stärken.

Change-Prozesse brauchen motivierte Menschen und strategische Visionen

Über die Kultur, die solchen kommerziellen Tricksereien zugrunde liegt, machen sich die Firmenlenker offenbar deutlich weniger Gedanken – im Gegenteil hat Deutsche-Bank-Chef Fitschen erst vor kurzem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wegen strengerer Regeln für die Banken angeblafft. Ebenso machen sich bei einer Sanierung die wenigsten Manager Gedanken, wo der Unterschied zwischen zukunftsweisenden Unternehmensstrategien und Controlling liegt. Manche Sanierer und Controller treten auf, als ob die Sau allein vom Wiegen schwerer wird (vgl. Leitartikel von Oktober 2013).

Controlling verhält sich zur Zukunft eines Unternehmens wie ein Geisterschiff, dessen Referenz ausschließlich in vergangenen Tagen liegt. Controller können die Orte von Störungen lokalisieren, kommen jedoch nur selten deren Gründen auf die Spur. Am Ende kennen sie zwar die Stelle, an der sich das Leck befindet, stellen jedoch keine Mittel, Handlungsanweisungen und Kräfte zur Verfügung, um das sinkende Schiff wieder flott zu machen. Stattdessen wird meist die Besatzung über Bord geworfen, um das Schiff leichter zu machen und so über Wasser zu halten. Der Königsweg des Controlling in der Sanierung besteht fast immer nur in Cost-Cutting und Stellenabbau. Ob ein Controlling-Mann ein Unternehmen dauerhaft und wirklich nachhaltig vor Fehlentwicklungen oder dem Untergang bewahren kann, darf daher mit Recht bezweifelt werden.

Fazit:

  • Für eine zukunftsfähige Aufstellung von Unternehmen sind Menschen mit Strategien und Visionen nötig.
  • Controlling kann immer nur ein Hilfsmittel sein, um das Bewusstsein zu schaffen, dass Veränderungen nötig sind.
  • Die Relation zwischen Controlling und nachhaltiger Sanierung beschreibt den Weg vom WAS zum WIE respektive von der Bilanzierung etwaiger Mängel zu einer echten Zukunftsstrategie.
  • Menschen sind in diesem Kontext keineswegs nur Kosten- oder Effizienzfaktoren, sondern die eigentlichen Träger effektiver Change-Prozesse – und zwar als Führungskräfte ebenso wie als operative Mitarbeiter.

Quellen:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/a-939837.html
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/deutsche-bank-mckinsey-mann-wird-oberkontrolleur-a-938065.html
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/cdu-politiker-vs-deutsche-bank-union-schiesst-sich-auf-fitschen-ein-a-937476.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vodafone-spart-noch-mehr-kuendigungen-nicht-ausgeschlossen-a-938130.html
http://business.financialpost.com/2013/12/17/blackberry-ltd-hires-former-sap-mobile-boss-john-sims-to-lead-global-enterprise-business/
http://wirkt.de/management-by-objectives-mbo-grosse-fuehrung-luege/