Die Anti-McKinsey-Wende: Unternehmensberatungen in der Krise – Teil 1
Die großen Unternehmensberatungen – McKinsey & Co. – geraten nach langen Boom-Jahren immer stärker in die Defensive. Die Gewinner des Beratungswettbewerbs sind scheinbar die Wirtschaftsprüfer, die gegenüber ihren Auftraggebern mit operativen Kompetenzen punkten, die Strategieberatung als komplementäres Geschäft für sich entdecken und daher an Fusionen mit Unternehmensberatungen interessiert sind. Die Frage ist, was hinter der Beratungskrise wirklich steht. Wir präsentieren hier verschiedene Perspektiven.
Ex-Aldi-Manager Dieter Brandes meldete sich vor einiger Zeit mit seinem Buch „Einfach managen“ mit einem Rundumschlag gegen Unternehmensberatungen zu Wort. Business-School-Absolvent, Ex-Berater und Buchautor Benedikt Herles formulierte seine Fundamentalkritik an der Beratungsbranche aus einer Insider-Perspektive. Über Intransparenzen in den Unternehmen selbst sprach kürzlich ein KPMG-Manager in einem Medien-Seminar.
Unternehmensberatungen schaffen Probleme erst
Dieter Brandes wettert sowohl gegen interne „Klugscheißerabteilungen“ – namentlich Marktforschung und Controlling – als auch gegen externe Berater. Er meint, dass alle Kompetenzen, die ein Unternehmen für die Erfüllung seiner Aufgaben braucht, in den Firmen auch vorhanden sind – und zwar im Hause und in den diversen Fachabteilungen. Brandes´ Idealbild sind Prozesse, in denen „jeder sein eigener Controller“ ist. Den Unternehmensberatungen wirft er vor, dass sie die Komplexität – also die Probleme – die sie lösen sollen, durch ihre Beratungstätigkeit erst schaffen. Aus seiner Sicht sind allenfalls Spezialberatungen unter technischem Aspekt sowie zur Erschließung völlig neuer Märkte akzeptabel. Interne Mitarbeiter ebenso wie Unternehmensberatungen denken demnach in „Kennzahlen und Businessplänen“, kennen das operative Geschäft nur unzulänglich und glauben an die Weisheit der Computer – der größte Teil ihres Outputs sei allerdings nicht unverzichtbar, sondern allenfalls „nice to have“. Brandes selbst plädiert für „Klarheit und Verzicht“, also für das Festlegen von Zielen sowie für Reduktion. Die Restkomplexität, die danach noch übrig bleibe, könne jedes Unternehmen selbst beherrschen.
Statt Shareholder-Value: „Kunden- und mitarbeiterorientierter Kapitalismus“
Die Regeln der schönen neuen Business-Welt hat Benedikt Herles in verschiedenen Biotopen erlernt – und in seinem Buch „Die kaputten Eliten“ schließlich grundsätzlich damit abgerechnet. Sein Studium an der privaten Wirtschafts-Uni Vallendar hat er abgebrochen und an der Ludwigs-Maximilians-Universität München ein Promotionsstudium als Volkswirt abgeschlossen. Danach war er ein Jahr als Junior-Berater für eine führende Unternehmensberatung tätig. Sein Fazit: Sowohl in der Ausbildung als auch bei den Unternehmensberatungen mangelt es an Ideen, Kreativität und Visionen. Die Kaderschmieden entlassen nach „Bulimie-Lernen“ und hartem internem Wettbewerb junge, angepasste Karrieristen in die Wirtschaft. Im Job – speziell in der Beraterbranche – seien keine klugen, originellen Köpfe, sondern „Excel-Jongleure“ und „Powerpoint-Akrobaten“ gefragt.
Herles bekennt sich sehr klar zur sozialen Marktwirtschaft, bescheinigt dieser jedoch eine Krise der ökonomischen Elite, die ausschließlich dem Dogma von Effizienz und Optimierung huldigt. Er fordert eine neue Führungsmentalität, andere „Charaktereigenschaften an der Spitze“ und neue Auswahlkriterien für die Manager der Zukunft. Auf den „zahlengetriebenen Shareholder-Kapitalismus“ der letzten drei Dekaden müsse ein „kunden- und mitarbeiterorientierter Kapitalismus“ folgen. Heute ist Benedikt Herles Manager in einem Venture Capital Fonds, der in Start-ups und Innovationen investiert.
Ein Wirtschaftsprüfer berichtet über Bilanzierungstricks
Was in vielen Unternehmen selbst im Argen liegt, war kürzlich Gegenstand eines Seminars der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG für Wirtschaftsjournalisten. KPMG-Bilanzexperte Gerhard Bischof erläuterte den Medienvertretern, wie Unternehmen auf gerade noch legale oder auch illegale Weise Bilanzen schönen und ihre Manager lukrative Boni für sich verbuchen können. Ein seriöser Wirtschaftsprüfer wird im Fall von illegalen Manipulationen zwar nur ein eingeschränktes Testat erteilen, ans Licht der Öffentlichkeit und vor Gericht kommen solche Fälle in der Regel jedoch nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Auch legale Bilanztricks können die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens jedoch nachhaltig in Frage stellen. Im Kern geht es bei diesem Thema um Transparenz und eine gemeinsame Arbeitsbasis – und eben nicht primär um Boni für die Firmenleitung – als Voraussetzung für echte strategische Visionen.
Alle drei Stimmen zielen auf den Verfall der Beratungsbranche von innen ebenso wie auf die Tatsache, dass viele Unternehmen durch die omnipräsente Zahlen- und Beratungsfixierung Probleme haben, überhaupt eigenständige Strategien zu entwickeln. Der KPMG-Experte legt den Finger in eine weitere offene Wunde: Der seriöseste und kompetenteste Wirtschaftsprüfer kann nichts bewirken, wenn er an internen Mechanismen und Gruppeninteressen scheitert. Beispiele wie die Pleite des US-amerikanischen Energieriesen Enron und die Verwicklung des Beratungshauses Arthur Andersen, das für Enron seinerzeit sowohl als Wirtschaftsprüfer als auch als Strategieberater tätig war, zeigen aber auch, dass die Zukunft nicht in einer erneuten Verknüpfung von Wirtschaftsprüfung und Strategical Consulting bestehen kann und wird.
Worin sowohl Harvard-Ökonomen als auch die Dr. Thorsten Bosch AG die Zukunft der Unternehmensberatung sehen – in Transparenz,Fragmentierung und echter Strategiearbeit – beleuchten wir im zweiten Teil dieses Beitrags.
Fazit:
- Die Unternehmensberatungen befinden sich in der Krise. Die Ursachen dafür liegen in der Abkopplung der Branche von den Interessen ihrer Klienten, in der Fixierung auf Zahlen und Controlling, einer falschen Definition des Berufsbildes „Berater“, vor allem aber in der Abwesenheit von strategischen Visionen.
- Unternehmensberatungen bleiben für die Wirtschaft wichtig, haben jedoch ebenso wie die Unternehmen einen strategischen Wandel hin zu einem „kunden- und mitarbeiterorientierter Kapitalismus“ vor sich.
Quellen:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/ehemaliger-aldi-manager-brandes-lehrt-vereinfachung-a-932406.html
http://www.spiegel.de/karriere/berufsstart/benedikt-herles-im-interview-ueber-sein-buch-die-kaputte-elite-a-926451.html
http://www.welt.de/vermischtes/article120856805/Der-Deserteur-einer-kaputten-Wirtschaftselite.html
http://www.gomopa.net/Pressemitteilungen.html?id=1064&meldung=So-wird-die-Bilanz-aufgehuebscht