Meetings – Produktivitätstreiber oder leeres Ritual?

Eine Frage bewusst gesteuerter Gruppendynamik

Könnten Sie, wenn Sie denn wollten, ein Buch über die Crux mit den Meetings schreiben? Herzlichen Glückwunsch – Sie finden sich wahrscheinlich bei der Mehrheit aller Führungskräfte wieder.
Die Klagen lauten: Zu oft, zu lang, zu wenig strukturiert, ein Mensch, der Endlos-Monologe hält, kontroverse Diskussionen, die keine Lösung finden oder völlig aus dem Ruder laufen. Viele Chefs und noch mehr Mitarbeiter sehen Meetings deshalb als reine Zeitverschwendung an, die ursprünglich vielleicht als Produktivitätsfaktor gedacht war, aber längst zu einem reinen Status-Ritual verkommen ist.

Warum wir trotzdem Meetings brauchen

Zumindest theoretisch könnten wir uns den Aufwand mit den Meetings im Zeitalter der digitalen Vernetzung ja durchaus sparen. Einige globale Unternehmen setzen seit langem vor allem auf rein virtuelle Teams. Ob die Kommunikation per Smartphone oder Videokonferenz tatsächlich effektiver ist, sei einmal dahingestellt. Eine Harvard-Studie liefert jedenfalls Argumente, warum für kreative Arbeit auch (gute) Meetings wichtig sind. Die Forscher haben anhand der Arbeitsergebnisse von Wissenschaftlern aus den Jahren 1993 bis 2003 nachgewiesen, dass ein enger räumlicher Zusammenhang der Mitarbeiter regelmäßig zu höherer Produktivität und besseren Ergebnissen führt. Es darf angenommen werden, das formale ebenso wie informelle Meetings hierfür eine wichtige Basis waren. Gute Meetings schaffen Motivation, Transparenz und Teamgeist. Im Idealfall führen sie die Expertisen der Teilnehmer zu einer gemeinsamen Arbeitsgrundlage zusammen und sorgen so für eine Effektivitätsspirale.

Moderation in Meetings – SIE sind dabei gefragt

Wie gute – oder auch schlechte – Meetings funktionieren, können Sie in einer beliebigen TV-Talkshow live verfolgen. Ein spannendes Thema sowie kluge und vielleicht sogar prominente Diskutanten garantieren für sich genommen noch lange keine interessante Sendung. Spannend wird es in der Regel dann, wenn ein kompetenter und engagierter Moderator die Führung übernimmt, das Programm inhaltlich fokussiert, allen Diskussionsteilnehmern Raum für die eigene Performance gibt und gleichzeitig für Grenzen sorgt. In Ihrem Business-Alltag respektive Ihren Meetings ist dies eine IHRER Rollen. Falls Sie zu der Besprechung eingeladen haben, sind Sie sogar in der Pflicht dazu. Auch als „einfacher“ Teilnehmer eines Meetings sind ihre Moderationsfähigkeiten gefordert.

Um bei dem TV-Beispiel zu bleiben: Vielleicht wenden Sie jetzt ein, dass viele bekannte Moderatoren Profis und außerdem begnadete Performer sind. Nun, in Ihrem Business-Kontext sind Sie selbst ein solcher Profi. Auf fachlicher Ebene beweisen Sie das seit langem und verfügen damit über die wichtigste Grundlage für Glaubwürdigkeit und kommunikative Exzellenz. Beim „kreativen Rest“ geht es vor allem um das Erkennen und die Steuerung gruppendynamischer Prozesse, was sich erlernen und trainieren lässt.

Meeting-Tipps

  • Derjenige, der das Meeting führt, hat die Pflicht, sich ggf. auch unbeliebt zu machen und zu entscheiden: was gehört rein, was nicht.
  • Rituale brechen: wenn zum Beispiel immer die gleichen Personen aneinander geraten, verlegen sie das Thema explizit auf ein Gespräch im kleineren Kreis.
  • Ausschließlich Themen wählen und zuzulassen, die den Großteil der Teilnehmer betreffen.
  • Wenn Informationen oder Vorbereitungen fehlen, ergo das Ziel nicht erreicht werden kann, so ist das Meeting abzubrechen und nicht fortzuführen: neuen Termin ansetzten!
  • Lassen Sie sich als Meeting-Leiter nicht die Führungsrolle nehmen!
  • Dynamik – in Wort, Bild und Interaktion

Fallbeispiel: Meeting-Querulanten

Querulanten und Provokateure können die Agenda eines Meetings sprengen und eine produktive Diskussion von Teams sogar auf lange Sicht unmöglich machen – sofern sie schaffen, sich dabei als erfahren, kompetent und somit als Träger von „Leadership“ zu zeigen. Die Probe aufs Exempel stammt unter anderem aus einem simplen Farben-Experiment des französischen Sozialpsychologen Serge Moscovici, dem es um den Nachweis von Minoritäts-Effekten ging. Dabei sah eine Gruppe aus Versuchspersonen Dias in verschiedenen Blau-Abstufungen und sollte anschließend die Grundfarbe benennen. Zwei bewusst platzierte Querulanten teilten jedoch jeweils mit Nachdruck mit, dass es bei dem Gesehenen um ein grünes Dia ging. Sofern sie gleichzeitig den Eindruck von Kompetenz erwecken konnten, stieg der Anteil der „Grün-Seher“ in signifikantem Ausmaß an: 8,4 Prozent aller Probanden meinten daraufhin, durchgehend ein grünes Bild zu sehen. 32 Prozent von ihnen nahmen während des Versuches zumindest einmal grüne Bilder wahr. Bei einer Wiederholung des Tests mit einem eher sonderbar wirkenden Querulanten oder beim Vorhandensein einer starken Mehrheit, die für Blau votierte, blieben die Mitglieder der Gruppe dagegen ihrer eigenen Wahrnehmung treu.

Als Fazit für Ihr Meeting: Wenn Sie Querulanten darin ein Forum bieten, torpedieren Sie die Objektivität des Meetings, die Autorität der Gruppe sowie Ihre eigene Autorität als fachlicher Experte oder Chef. Der Ausweg besteht in einer klaren Steuerung des Meetings. Nebenkriegsschauplätze sind ein beliebtes Arbeitsfeld von Profilneurotikern und Querulanten. In einem effektiven Meeting haben sie nichts zu suchen. Eine solche Diskussion lässt sich beenden und bei inhaltlicher Relevanz gegebenenfalls in einem kleineren Rahmen weiterführen. Das Gleiche gilt für Meetings, die wegen einer schwachen inhaltlichen Vorbereitung zu keinem messbaren Ergebnis führen. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung muss konstruktives Feedback in einer Diskussion auch nicht zwangsläufig auf die Bestätigung des Konsens zielen, sondern kann ebenso in der klaren Abgrenzung von offensichtlich unproduktiven oder falschen Positionen liegen.

Erfolgreiche Gruppendynamik führt zu Produktivität und schärft eigenes Profil

Mit einem derart fokussierten Meeting-Auftritt greifen Sie aktiv in die Dynamik Ihrer Arbeitsgruppe ein. Sie brechen eingefahrene Muster in Kommunikation, Interaktion und Verhalten auf – übrigens nicht nur bei anderen, sondern in mindestens ebenso hohem Maße bei sich selbst. Experten wissen, dass eine positiv und gezielt genutzte Gruppendynamik zu effizienteren Meetings sowie zu einem insgesamt produktiveren Business-Alltag führt. Gleichzeitig entwickeln Sie dabei Ihre Team- und Führungsqualitäten und schärfen Ihr eigenes berufliches Profil durch größere Präsenz, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft. Machen Sie das Experiment! Begeben Sie sich auf diese Reise! Positive Veränderungen werden Sie nach kurzer Zeit nicht nur in spannenderen Meetings spüren.

Verweise:
http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0014279
http://de.wikipedia.org/wiki/Serge_Moscovici
http://karrierebibel.de/minoritatseffekt-die-macht-der-minderheit/